Mit der Oper „L’incoronazione di Poppea“ legte sich die Stella Privathochschule die Latte hoch – und beeindruckte.
Es gehört zum Programm einer Musikhochschule, ihren Studenten die Möglichkeit zu bieten, Rollen des Musiktheaters szenisch zu realisieren, beziehungsweise Instrumentalisten in solche Aufführungen einzubinden. Mit Claudio Monteverdis Oper „Die Krönung der Poppea“ hat die Stella ein Werk gewählt, das reich an Personen und Handlungssträngen ist und somit den Studenten viele Möglichkeiten bietet. Andererseits ist die Quellenlage schwierig, da es – typisch für die Epoche des Frühbarock – keine verbindliche Originalpartitur gibt. Hendrik Schulze, Musikwissenschaftler an der Stella, hat an seinem früheren Wirkungsort, der University of North Texas, mit dortigen Studenten eine Edition erarbeitet, die 2017 bei Bärenreiter erschienen ist. Diese kam nun in Feldkirch zur Aufführung. Die instrumentale Besetzung ist geradezu minimalistisch. Zwei Violinen, Cello und Theorbe (Olga Khicheva, Sezen Akgün Deniz, Sebastian Pilz und Hendrik Schulze) wurden von Johannes Hämmerle vom Cembalo aus geleitet, der auch die Sänger im Blick hatte. Einstudiert von Clau Schrerrer, Sara Elisa Stangalino und Editha Fetz ließ diese Seite der Aufführung keinen Wunsch offen. Ebenfalls bewundernswert und beeindruckend bewältigten mehrere der Gesangssoli ihre Aufgabe. Auch insofern will das etwas heißen, da der Barockgesang in Stile Monteverdis, das „recitar cantando“ also, Anforderungen stellt, die im herkömmliches Gesangsunterricht nicht vermittelt werden. Zu nennen ist etwa Sarah Schmidbauer als Nerone – der römische Kaiser wurde im original von einem Soprankastraten gesungen. Oder Sahori Miwa als seine rechtmäßige Gattin Ottavia. Oder die beiden Ammen Arnalta und Nutrice, mit Aseman Mohammadbeigl beziehungsweise Karoline Hölzl-Kurzemann sehr gut besetzt. Ein großes Lob gilt dem Seneca von André Sesgör, dessen Stimme sich hervorragend entwickelt hat. Nicht alle Sänger konnten da mithalten, auch stimmliche Überforderung oder matte Bühnenpräsenz gab es, was normal ist bei studentischen Aufführungen. Und natürlich waren auch die Mittel für die Regie beschränkt. Mit Projektionen und schönen Kostümen bei den weiblichen Rollen wurde Einiges an Atmosphäre geschaffen. Regisseurin Dora Kutschi hätte jedoch bei dieser Handlung, die Sex an crime pur auf die Bühne bringt, ruhig mehr an Erotik und nicht zuletzt Witz walten lassen können. Was aber besonders abging, war die Eröffnungsszene im Original der Oper, wo die Göttinnen der Tugend (Virtù) und des Glücks (Fortuna) mit Amor über die Geschehnisse debattieren, die das Publikum gleich erleben wird. Diese Szene stellt die Handlung in einen philosophischen beziehungsweise metaphysischen Kontext. Ohne sie ist das Ganze eine banale Handlung wie in einer TV-Soap, und schon garnicht rettet dieses der reichlich kitschige Auftritt des Amor samt Gefolge nach der finalen Krönung der Poppea. Denn warum hat dann Monteverdi dieses überirdisch schöne Liebesduett („Pur ti miro“) an das gänzliche Ende der Handlung gestellt?
Dennoch: an alle Ausführenden ein großes Lob, auch an jene Sänger, die bei der zweiten Aufführung am Dienstagabend alternativ besetzt waren.
0 Comments