Das Bregenzer Meisterkonzert vom Sonntagabend brachte die Begegnung mit russischer beziehungsweise sowjetischer Musik der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts in sinnreicher Programmierung. Zudem lernte man einen Geiger kennen, dem ein geradezu magischer Ruf vorauseilte, der nicht enttäuscht wurde: Nemanja Radulović.
„Ich will einfach, dass die Menschen durch meine Musik echte Gefühle empfinden“. So sagt der französisch-serbische Geiger Nemanja Radulović, der, spektakulär gestylt, am Sonntagabend zusammen mit dem Staatlichen Sinfonieorchester Russland unter Andrey Boreyko das Violinkonzert von Aram Chatschaturjan interpretierte. Der frenetische Beifall zeigte, dass ihm der Zugang zu den Herzen des Publikums gelungen ist. Mit seinem Spiel, das bald flüsternd, bald wild, immer aber kultiviert und klangschön ist, bewältigt er nicht nur die Finessen dieser komplexen, 1940 entstandenen Komposition, er musiziert auch im schönsten Einvernehmen mit den Musikern des Orchesters, etwa den solistischen Holzbläsern zu Beginn des langsamen Satzes. Und zur Zugabe, einer Passacaglia von Händel, bearbeitet von Johan Halvorson, holte er sich sogar einen Bratscher aus dem Orchester zum Duett. Neben dem Armenisch stämmigen Chatschaturjan, der sich, in Moskau lebend, mit dem Sowjetregime arrangieren konnte, begegnete das Bregenzer Publikum zwei weiteren Komponisten Russlands aus der frühen Moderne, die in spannenden Zusammenhang stehen. Denn Anatoli Liadov hat durch eine allzu zögerliche Ausführung eines Kompositionsauftrages dem jungen Igor Strawinsky den Durchbruch ermöglicht. Es ging um die Musik des Balletts „Der Feuervogel“, das bei Sergej Diaghilevs Ballets Russes in Paris aufgeführt werden sollte. Die „Feuervogel“-Suite von Strawinski aus 1945 bildete den farbenreichen und magischen Abschluss des Konzertabends, während Liadovs Tondichtungen am Beginn und nach der Pause erklangen. „Der verzauberte See“ war in seiner impressionistischen Zartheit vielleicht als gänzlicher Beginn des Konzerts weder für die Hörer noch für die Musiker ideal, sicherer kam „Kikimora“, das Klangbild einer Art Hexe, herüber. Wie es sich für ein Tourneeorchester gehört, spielte das Staatliche Sinfonieorchester Russland unter seinem sympathischen Dirigenten noch eine Zugabe, nämlich den Trepak aus der Nussknacker-Suite von Tschaikowski – das Genre des klassischen Balletts ist eben typisch russisch.
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