Vor gut zwanzig Jahren hat Gérard Korsten zum ersten Mal das Symphonieorchester Vorarlberg dirigiert und seit 2005 ist er dessen musikalischer Chef. Am Samstag in Feldkirch und Sonntag in Bregenz leitete er sein letztes Konzert im Abonnementzyklus. Der Abschied dürfte ihm schwerfallen, denn das Orchester hat einmal mehr fabelhaft gespielt. Doch in Wirklichkeit ist es nur der Abschied als Chefdirigent. Gérard Korsten wird noch das traditionelle Konzert des SOV bei den Bregenzer Festspielen leiten. Zudem wurde vom Orchester zum Ehrendirigenten auf Lebenszeit ernannt, was auch beinhaltet, dass wir ihn so manches Mal als Gastdirigent begrüßen werden können.
Das Programm beschäftiget sich unter dem Titel „Missbraucht – verfemt“ mit der Musik im Nationalsozialismus, sinnreich entworfen zum Gedenkjahr 2018 (1938 geschah der Anschluss Österreichs an Hitlerdeutschland) und zugleich musikalisch schlüssig. Missbraucht wurde Franz Liszt‘ Tondichtung „Les Préludes“ etwa als Kriegsfanfare. Dieses Stück erlebt mal wohl deshalb selten im Konzertsaal, obwohl es ein großartig komponiertes Stück ist, das das SOV unter Korsten sehr differenziert musizierte, nicht zuletzt in dynamischer Hinsicht. Dem „missbrauchten“ Werk folgte ein „verfemtes“, nämlich Erich Wolfgang Korngolds Violinkonzert. Der „junge Korngold“ war der Sohn des einflussreichen Musikkritikers Julius Korngold und hatte schon als Jugendlicher, gefördert u.a. von Gustav Mahler, große Erfolge als Komponist. Max Reinhardt holte ihn 1934 nach Hollywood, wo er bleiben musste, da er jüdischer Abstammung war. Daher galt seine Musik natürlich hierzulande als „entartet“. Korngolds Violinkonzert ist Alma Mahler-Werfel gewidmet wurde 1947 von Jasha Heifetz uraufgeführt. Vielleicht kann man sagen, dass die Musik von Erich Wolfgang Korngold aufgrund ihres spätromantischen Tons in der Musikwelt der Nachkriegszeit in Europa noch einmal verfemt war, da diese doch sehr auf die atonale beziehungsweise serielle Musik ausgerichtet war. Der österreichische Geiger Benjamin Schmid hat sich in den letzten Jahren sehr für das Violinkonzert von Korngold eingesetzt und spielte es auch in unserem Konzert des SOV. Beim Publikum konnte er einen ganz großen Erfolg verbuchen, zu recht deshalb, weil er mit ein fantastischen Ton und hoher Musikalität spielte. Dazu stellte er seine stupende Virtuosität nicht nur im Konzert, sondern auch mit seiner Zugabe unter Beweis, einer Paganini-Bearbeitung von Heifetz, der ja, es wurde schon erwähnt, der Geiger der Uraufführung war.
Die Werkpaarung „Missbraucht – verfemt“ wiederholte sich nach der Pause. Dass Richard Wagner der Lieblingskomponist Hitlers war, ist allgemein bekannt – die Ouvertüre zu seiner Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“ erklang im zweiten Teil des Konzerts. Und sicherlich hat Wagner mit seinen Opern und vor allem seinen Schriften im 19.Jahrhundert den Humus für die so verhängnisvolle Weltsicht des NS-Regimes bereitet. Dieses hat Musik, die freitonal war und/oder mit Jazzelementen durchsetzt war, als „entartet“ abgelehnt und deren Schöpfer mit Aufführungsverbot belegt. So geschah es auch Paul Hindemith, der allerdings in seiner grandiosen Oper „Mathis der Maler“ bereits Merkmale des Neoklassizismus erkennen lässt. Grandios ist auch die Sinfonie aus Themen der Oper, die den Schlusspunkt des Konzertprogramms bildete und aufgrund der plastischen Musizierweise des SOV unter Gérard Korsten einen starken Eindruck hinterließ.
Gérard Kosten: „Es ist immer ein Stück Schöpfung, wenn man Musik macht. Mich fasziniert die seelische und intellektuelle Konzentration, der Fokus, ohne den ich nicht leben kann.“
Ausnahmsweise, und in einem Blog darf das sein, möchte ich persönliche Erinnerungen anschließen, die mit diesem Programm verbunden sind. Ich habe Gérard Korsten im März 1998 im Rahmen eines Interviews persönlich kennengelernt und sofort musikalisch und persönlich einen guten Draht entwickelt – das obige Zitat stammt aus diesem Interview. Aus der Ferne kannte ich ihn schon als Konzertmeister des wunderbaren Chamber Orchestra of Europe, und da er am Salzburger Mozarteum, wo ich auch studiert habe, unter Sandor Vegh musikalisch geprägt wurde, gab es hier ebenfalls eine gemeinsame Basis. So war ich extrem glücklich, als er die Leitung des SOV übernahm, auch weil es musikalisch und persönlich eine echte Qualitätssteigerung war zu seinem Vorgänger Christoph Eberle. Bei Wagners „Meistersingern“ habe ich meine ersten Bühnenschritte gemacht, und zwar als Aushilfsstatistin an der Bayerischen Staatoper in München. Immerhin konnte ich so beim Jubiläum zum 100. Geburtstag dieser Oper, die ja 1868 in München uraufgeführt wurde, mitwirken und stand mit Hans Hotter, Theo Adam, Gottlob Frick oder Wolfgang Windgassen auf der Bühne. Und Hindemiths „Mathis der Maler“ habe ich 1975 in Salzburg während meines Studiums im Chor mitgesungen.
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