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Tobias Grabher und seine Camerata Musica Reno

Paul Hindemith ins rechte Licht gerückt

Der junge Vorarlberger Posaunist und Dirigent Tobias Grabher trat zu den Osterfeiertagen mit seiner Camerata Musica Reno zum dritten Mal mit einem konzeptionell wie musikalisch überzeugenden Programm an die Öffentlichkeit. Nun widmeten sich die jungen Musiker dem Komponisten Paul Hindemith.

Tobias Grabher

Es ist gut, dass das Theater Kosmos diesen so fabelhaften wie ideenreichen Musikerinnen und Musikern die Tür öffnet. Es bietet ihnen einen ansprechenden Raum für die Aufführung und dazu die Zusammenarbeit mit professionellen Sprechern, die einige spannende Aspekte zum besseren Verständnis von Komponist und Werk liefern. In diesem Falle war es Augustin Jagg, der mittels Briefen und Ausschnitten aus Zeitungskritiken und Stellungnahmen das bewegte Leben des deutschen Komponisten nachzeichnete. Der 1895 geborene Hindemith schreckte im Berlin der 1920er Jahre das Publikum, seine Musik wurde, unverständlich für uns heute, als „lasziv“ und sogar „obszön“ empfunden, möglicherwiese weil er jazzige Elemente aufgriff. Aus dieser Zeit stammten die beiden ersten Werke des Programms, die „Kammermusik Nr.1 für zwölf Solo-Instrumente“ sowie die „Drei Anekdoten für Radio“. Hervorragend musiziert und so professionell wie empathisch von Tobias Grabher dirigiert, bestachen diese Stücke durch ihre lebhafte Rhythmik, aber auch durch wunderbar lyrische Phasen. Aus der Mitte der 1930er Jahre, in denen Hindemiths Musik vom NS-Regime als „entartet“ verfemt wurde, entstand das elegische Bratschenkonzert „Der Schwanendreher“, eines der bekannten Stücke Hindemiths. Es sind alte Volkslieder, die die Grundlage bilden für dieses Konzert, eben auch das Lied vom „Schwanendreher“, der einen Schwan zum Braten auf seinem Spieß dreht. Es lässt durch einen besonderen Kunstgriff aufhorchen: der Komponist schrieb die Partitur für ein „kleines Orchester“ ohne die hohen Streicher, damit der Klang der Bratsche umso besser zur Geltung kommt – Hindemith kannte die Bratsche mit ihren Schönheiten und Tücken gut, sie war sein eigenes Hauptinstrument. In Bregenz spielte der zwanzigjährige Fridolin Schöbi das Konzert hochmusikalisch und aussagestark, dabei mit einem ausgereiften, schönen Ton – eine Interpretation der Spitzenklasse!

Dieses gelungene Konzert zeigt einmal mehr die Qualität der Musik Hindemiths, die viel zu selten aufgeführt wird. Kann es sein, dass wir immer noch halb bewusst an dem Verdikt des Nationalsozialismus haften, wie es übrigens auch bei Mendelssohn zu beobachten ist? Ich selbst habe die Musik Hindemiths schon während meines Gesangstudiums am Salzburger Mozarteum kennengelernt, denn ich konnte an einer Aufführung seiner

Oper „Mathis der Maler“ im damaligen Kleinen Festspielhaus mitwirken: ein ganz großer und bleibender Eindruck. Und noch etwas lässt mich Paul Hindemith besonders wertschätzen. Es wissen wenige, dass er der eigentliche Gründer des „Concentus Musicus Wien“ ist. Im Jahr 1954 hat Hindemith den damals völlig ungewöhnlichen Versuch unternommen, Claudio Monteverdis „Orfeo“ mit Originalinstrumenten der Entstehungszeit aufzuführen. Nikolaus Harnoncourt hat dabei die Gambe gespielt. Er und seine Frau Alice haben mit diesen Musikern und Musikerinnen dann weiter experimentiert und gearbeitet. Erst 1957 sind sie dann wieder öffentlich aufgetreten, unter dem Namen „Concentus Musicus Wien“ Alles Weitere ist Musikgeschichte.

 

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