So ist es oft: Ein Machthaber sollte abtreten, kann aber nich loslassen und funkt seiner Nachwelt immer noch dazwischen. Auch in Richard Wagners „Ring“, dessen dritter Teil am Sonntag im Opernhaus Zürich zur Premiere kam, erlebt man solches. Der Göttervater Wotan (Tomasz Konieczny mit Prachtbass) ist es hier, der sich bewusst den jungen Helden Siegfried als seinen Nachfolger schuf, aber immer noch als „Wanderer“ sein Wesen treibt. Freilich erfahren die Figuren des Stücks von ihm einiges aus der Vorgeschichte, und das Publikum erfährt es zudem durch das Bühnenbild von Christian Schmidt. Wie schon im Rheingold, dem „Vorabend“ des „Ring“, und am „ersten Tag“ mit dem Titel „Die Walküre“ baut er verschiedene geschlossenen Räume (sein übrigens fast obsessives Markenzeichen auch bei vielen anderen Inszenierungen) auf eine Drehbühne, die sich allzu oft in Bewegung setzt. Innenräume verwundern besonders im „Siegfried“, dessen Handlung so eindeutig wie selten bei einem Stück in der Natur spielt und dessen „Waldweben“ als Musik berühmt wurde. Allenfalls erahnt man an den dunkeln Wänden den Schatten lichtdurchfluteter Baumkronen, und als schließlich Siegfried seine Brünnhilde findet, gibt es sogar ein grünes Bäumchen, das so scheint es, die Klimakatastrophe gerade noch überstanden hat. Denn „Der Ring des Nibelungen“ erzählt die Geschichte vom Beinahe-Untergang der Menschheit mit beängstigend aktuellen Bezügen. Ob Andreas Homoki solches – oder etwas ganz anderes – in seiner Regie zeigen will, bleibt im Dunkeln, buchstäblich, denn man schaut den ganzen langen Abend auf grauschwarz. „Storytelling“ sei sein Ziel, äußerte er im Vorfeld. So präsentiert sich seine Arbeit denkbar neutral, zumal er die Sänger in ihrer Gestik und Körpersprache weitgehend allein lässt. Letztere sind aber, vor allem in ihrer Stimme, sehr charakteristisch ausgewählt. Der Siegfried von Klaus Florian Vogt mit seinem lyrischen und schönklingenden Tenor ist so gar nicht der Schlägertyp, sondern ein Junge auf der Suche nach seiner Bestimmung. Mit seiner Brünnhilde begegnet er einer selbstbewussten Frau mit einer ebenfalls sehr lyrischen und wunderschönen Stimme. Es ist Camilla Nylund, die kürzlich den Wiener Opernball eröffnete und heuer wieder bei Lech Klassik zu hören sein wird. Wolfgang Ablinger-Sperrhacke hätte als Mime sowohl darstellerisch als deklamatorisch weit mehr Potenzial, als er hier zeigen kann, und der Waldvogel von Rebeca Olvera bezaubert optisch, das Vibrato ihres Soprans mag Geschmacksache sein. Viel zu spät sei das Orchester „Philharmonia Zürich“ unter Gianandrea Noseda genannt. Es spielt auf atemberaubendem Niveau und immer wieder mit berückender Zartheit, es lässt sich Zeit, ist aber immer wieder auch zu machtvollen Steigerungen fähig. So punktet dieser Zürcher „Ring“ vor allem musikalisch, während Andreas Homoki mit seiner Regie der „Madame Butterfly“ auf der Bregenzer Seebühne der weitaus größere Wurf gelungen ist.
Foto Monika Rittershaus
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