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Seong-Jin Cho: ein Poet am Klavier

 

Das erste Bregenzer Meisterkonzert der Saison 20/21 war ein so genanntes „Nachholkonzert“. Man gewährte es den Abonnenten als Ersatz für ein Konzert im Frühsommer, welches der Pandemie zum Opfer fiel. Mit Abstand saßen die Zuhörer im Saal, und einsam am Podium der Pianist Seong-Jin Cho.

Es war eine besondere Stimmung im Saal des Festspielhauses Bregenz: sehr konzentriert, ja feierlich. Dazu trug wesentlich der Interpret des Konzerts bei, der Südkoreaner Seong-Jin Cho an einem Steinway-Flügel, der extra für dieses Konzert aus Zürich geholt wurde. Der bescheiden auftretende Mitzwanziger schweißte mit seinem poetischen und tief lotenden Spiel die Zuhörerschaft zu einer nahezu andächtigen Gemeinschaft zusammen – ein wunderbares Erlebnis, das viele zum Schwärmen brachte. Und das gelang ihm sogar zweimal an diesem Sonntag. Denn, um alle Abonnenten Corona-gerecht im Saal zu platzieren, musste das Konzert zweimal gegeben werden, um 16 Uhr und um 20 Uhr. Nicht nur damit zeigte Seong-Jin Cho seine Professionalität. Kein Wunder, hat er doch bereits die großen Konzertpodien der Welt erobert, nachdem er beim Tschaikowski-Wettbewerb in Moskau den dritten und beim Chopin-Wettbewerb in Warschau den ersten Preis gewonnen hatte. Das Programm, das er für Bregenz vorbereitet hat, zeigte die Bandbreite seiner Fähigkeiten. Begonnen hat es mit den „Waldscenen“, die Robert Schumann zur Zeit des Dresdner Maiaufstandes 1949 bei einem Landaufenthalt komponiert hat. Man könnte von musikalischem Eskapismus sprechen, so zart und schlicht wie die neun kleinen Sätze dieses Zyklus sind. Seong-Jin Cho gab sich dieser Ausdruckswelt berührend uneitel hin, spürte den zarten melodischen Wendungen und den zuweilen fast volksliedhaften Harmonien feinsinnig nach. Ganz anders dann die monumentale „Wandererfantasie“ von Franz Schubert. Mit ihren machtvollen Ausbrüchen, die doch immer wieder in feinsinnigste Passagen münden, mit ihrer pausenlosen Länge von über zwanzig Minuten, vor allem aber mit ihrem Anspruch, die Schubert’sche Gefühlswelt der drängenden Sehnsucht auszudrücken, ist sie ein Prüfstein für jeden Pianisten. Seong-Jin Cho bewältigte all dies wundervoll, wie er auch die vielschichtigen Scherzi von Chopin, die das Programm rundeten, eindrucksvoll darbot. Es war das virtuose erste Scherzo in h-Moll und das dunkle zweite in b-Moll. Als Zugabe erklang nochmals Schubert, sein „Ständchen“ in der Paraphrase von Franz Liszt.

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