Nein, das ist kein Artikel über die aktuelle Brexit -Debatte, obwohl diese auch in Schwarzenberg Raum greift. So meinte Ian Bostridge neulich auf die Frage, ob er 2020 auch wieder hier singen würde, sarkastisch lachend: „Wer weiß, vielleicht lassen sie uns ja nicht mehr ausreisen“. Doch, wie gesagt, im Folgenden geht es nicht um die Politik, sondern um die Musik. Und die wurde in Schwarzenberg einmal mehr gefeiert mit einem Liederabend der jungen irischen Mezzosopranistin Tara Erraught, am Klavier begleitet vom Schotten Malcolm Martineau. Dazu kam vor der Pause, für Schuberts Der Hirt auf dem Felsen, Jörg Widmann mit der Klarinette. Es war die Krönung nicht nur dieses Konzertes, wie diese drei Künstler zusammen musizierten, wie sie das Tempo dieses Stückes immer mehr steigerten, wie sie in einen echten Dialog beziehungsweise in ein Dreiergespräch kamen, erlebbar durch einen intensiven Augenkontakt untereinander und für die feinen Ohren der Zuhörerinnen und Zuhörer beglückend nachvollziehbar in einem wundervoll sensiblen Miteinander des Gestaltens. Dabei kann man nicht einmal sagen, dass sich die drei lange zuvor kannten, denn Tara Erraught ist in dieses Konzert eingesprungen und bekannte bei der Ansage der Zugaben, dass sie und Malcolm Martineau zum ersten Mal zusammen auftreten würden.
Tara Erraught verfügt über eine fülligen Mezzosopran, und mit diesem sang sie vor dem Hirt eine Gruppe von Liedern von Hugo Wolf und dann vier Schubert-Lieder. Sie gebot hier bereits über eine breite Palette von Farben, vom duftigsten Parlando (Hexe Binsefuss von Wolf), wunderschön gesponnenen Legatophrasen (Verborgenheit von Wolf) bis hin zu den großen Tönen, wie sie etwa Schuberts Gretchen am Spinnrade oder Die junge Nonne fordern. Diese höheren Fortetöne allerdings klangen immer wieder auch ein wenig forciert, und so hatte man schon seine Bedenken, wie diese vor allem in der Oper tätige Mezzosopranistin die ganz hohen Sopran-Koloraturen des Hirt auf dem Felsen schaffen würde. Aber das Unglaubliche geschah, sie meisterte es, und das mit einer fabelhaften Stimmkultur und dieser überströmenden Freude, die diesem Werk, vor allem gegen den Schluss, innewohnt. „Der Frühling wird kommen, der Frühling meiner Freud. So mach ich mich fertig, zu Weggang bereit.“ So heißt hier der Text. Und es treibt mir jedes Mal wieder die Tränen in die Augen, dass Schubert dies im November des Jahres 1828 auf dem Totenbett geschrieben hat – es war seine letzte Komposition überhaupt.
Nach der Pause widmete sich Tara Erraught und Malcolm Martineau, der den ganzen Abend lang wundervoll begleitete, den Liedern eines fahrenden Gesellen von Gustav Mahler und danach den seltsamerweise selten gesungenen Zigeunerliedern von Johannes Brahms. Diese beiden so unterschiedlichen Zyklen vermochte die Sängerin wieder mit der ganzen Bandbereite ihrer Ausdrucksmöglichkeiten zu gestalten, und sie legte dabei auch ein angenehme, weil natürlich herzliche und nie aufgesetzte Mimik und Gestik drüber. Ein irisches Volkslied, nämlich die berühmten Sally Gardens und ein schottisches Lied, ohne Begleitung gesungen, beides gesetzt von Benjamin Britten, waren die Zugaben. Schon am Donnerstag singt Tara Erraught wieder in Schwarzenberg als Altsolistin in der Petite messe solenelle von Rossini. Und hoffentlich erleben wir diese so sympathische und fabelhafte junge Sängerin noch oft bei der Schubertiade!
(Fotos: Schubertiade)
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