Nun ist sie wieder da, die festlichste Zeit des Jahres, zumindest für die Liebhaber und Liebhaberinnen kleiner, feiner Klassik-Darbietungen. Dazu Sommerwetter und Heuduft, kurz alles, was die Schubertiade in Schwarzenberg für Musikfreaks aus der ganzen Welt so begehrt macht. Am ersten Wochenende gab es höchst unterschiedliche Eindrücke, nicht nur aufgrund der verschiedenen Besetzungen, sondern vor allem wegen der interpretatorischen Zugänge.
Den Reigen der neunzehn Konzerte eröffnete das deutsche Mandelring Quartett. Es spielte im ersten Teil seines Programmes Schuberts zauberhaftes Rosamunde-Quartett, befremdete aber dabei mir einer sehr verhaltenen Tongebung. Natürlich bewegt sich dieses Weltklasse-Ensemble, was Zusammenspiel und Intonation betrifft, auf höchstem Niveau, auch weiß es, weiträumige Spannungsbögen zu legen, doch es fehlt an klanglicher Präsenz. Vielleicht wäre es schon gut, wenn der erste Geiger Sebastian Schmidt sich mehr in den Vordergrund wagen würde. Wie so etwas sein kann, zeigte sich im zweiten Teil des Konzertes, wo für Schuberts Oktett der Kontrabassist Nabil Shehata, die Hornistin Sibylle Mahni, der Fagottist Bence Bogányi und die Klarinettistin Laura Ruiz Ferreres hinzukamen. Vor allem letztere nahm buchstäblich das Heft in die Hand, brachte einen frischen Klang ein, der ihrem Instrument natürlich von Natur aus eigen ist, aber auch die ersehnte Wachheit des Musizierens. Ziemlich flott nahmen die acht Musiker den ersten Satz des Werks mit einer Stunde Spieldauer, fanden aber dann im Adagio doch zu so etwas wie schubert‘scher Gemütlichkeit (ein deutsches Wort, das auch im Englischen vorkommt). Und der allein durch die Komposition zauberhafte Variationensatz verfehlte auch hier seine Wirkung nicht, gewährt er doch fast jedem Instrument ein solistisches Hervortreten.
Nach einem Liederbend von Mauro Peter und Helmut Deutsch am Samstagabend und einen, wie man erzählte, hervorragenden Auftritt des jungen Armida Quartettes zusammen mit Jörg Widmann an der Klarinette in der Sonntagsmatinee gab am Sonntagnachmittag Till Fellner ein Klavierrezital. Der sechsundvierzigjährige Wiener trat in traditionellen Frack auf – immer noch ein durch und durch nobler Eindruck! Nobel ist auch sein Spiel zu nennen. Seine Interpretationen sind gerundet, ja man kann sie als vollendet bezeichnen, und der gut aussehende und stets ein wenig introvertiert wirkende Pianist kommt ohne jegliche interpretatorische Eigenarten aus, geschweige denn, dass er Mätzchen nötig hätte. Er geht der Musik auf den Grund und dient ihr. Das bedeutet bei Schubert, den er im ersten Teil spielte, nicht zuletzt das Aufzeigen der Innenspannungen und Brüche, so geschehen bei der Sonate in a-Moll D 784 und bei den Moments musicaux D 780.
Nach der Pause widmete Till Fellner sich der ausgedehnten Fantasie in C-Dur Opus 17 von Robert Schumann, bei der er freier wirkte als bei Schubert. Er arbeitete wunderbar das Fließen und Schwelgen dieser Musik heraus, verlor aber nie die Klarheit der Form. An dieser Stelle darf einmal hingewiesen werden auf die Menschen, die im Hintergrund für einen Pianisten arbeiten und auf die er essentiell angewiesen ist. Das sind die Klavierbauer, hier von der Firma Steinway & Sons, die wunderbare Instrumente bereitstellen, und dann die Klavierstimmer, die selbstverständlich vor jedem Konzert, aber sogar in der Konzertpause den Flügel updaten. Wer darüber genaueres erfahren möchte, schaue sich den Film Pianomania an.
Einen echten Höhepunkt der stets hochkarätigen Schwarzenberg-Reihe markierte am Sonntagabend das Rezital von Thomas Hamspon, der mit Wolfram Rieger am Klavier ein ausgewogenes Programm mit Liedern von Schubert, Alban Berg und Gustav Mahler sang. Mit machtvoller Stimme durchmaß der blendend aussehende Bariton, der in dieser Woche seinen dreiundsechzigsten Geburtstag feiert, neun Lieder von Schubert mit ernsten Inhalten über Tod und Jenseits. Es wäre nicht Schubert, wenn er diesem Thema nicht auch lichte Farben abgewinnen würde (Der zürnenden Diana oder Freiwilliges Versinken, beide nach Texten von Johann Mayrhofer), und Hampson kann seine Stimmkraft auch in fein gesponnene Linien zurücknehmen. Das zeigte er auch nach der Pause bei den duftigen Gebilden der Sieben frühen Lieder Alban Bergs – echter musikalischer Jugendstil. Ganz in seinem Element befand sich Thomas Hampson bei Gustav Mahler und erzeugte mit seiner Deutung des Liedes Um Mitternacht gewaltige Erschütterung.
Wolfram Rieger am Flügel spielte intensiv und akzentuiert und war so ein echter Mitgestalter. Dabei muss man bedenken, dass aufgrund der tiefen Stimmlage des Sängers die Begleitungen nicht in Originallage waren – Schubert hat seine Lieder normalerweise für Tenor gesetzt. Die tiefe Lage des Klavierparts macht es schwer, ihn zum Strahlen zu bringen, doch Wolfram Rieger schaffte es. Der Sonderbeifall für den Pianisten am Schluss, den Thomas Hampson evozierte, war verdient. Mit zwei Zugaben von Gustav Mahler verabschiedeten sich die beiden Künstler vom frenetisch jubelnden Publikum, doch nur für kurz, denn ab heute, Montag, geben Hampson und Rieger einen Meisterkurs bei der Schubertiade.
Auf diesem Blog befindet sich auch ein ausführliches Interview mit Thomas Hampson über seine Arbeit mit Nikolaus Harnoncourt.
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