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Schubertiade Hohenems: Einspringer überzeugten

Eine viertägige Schubertiade ging gestern Mittag im Markus-Sittikus-Saal in Hohenems zu Ende. Bei den letzten beiden Konzerten gab es mehr oder weniger kurzfristige Absagen. Als Einspringer konnten Publikumslieblinge gewonnen werden. Andrè Schuen und Aaron Pilsan zeigten jeweils große Klasse.

Für die gestrige Sonntagsmatinee waren die Schwestern Katia und Gvantsa Buniatishwili, Klavier, vorgesehen. Sie mussten wegen eines familiären Notfalls absagen. Eingesprungen ist der aus Dornbirn stammende, nun in Berlin lebende Aaron Pilsan. Mit ausgebreiteten Armen begrüßte der siebenundzwanzigjährige Pianist sein Publikum im vollen Saal und begann mit einer energetischen und doch federleicht gespielten Sonate Opus 2/1 von Beethoven. Dann erzählte er, dass er vor zehn Jahren bei seinem Schubertiadedebut Schuberts „Wandererfantasie“ gespielt hat und sie nun wieder aufs Programm setzen wollte. Zu Recht, denn es gibt kaum Pianisten, die dieses komplexe und auch rätselhafte Stück so gut spielen wie Aaron Pilsan, und damit ist nicht nur dessen technische Bewältigung gemeint, sondern auch die mentale Durchdringung. Als Beispiel mag sein kompromissloses Spiel an der Stelle sein, bevor das Liedthema einsetzt, und da fühlt man sich klanglich weit ins Zwanzigste Jahrhundert versetzt. Das Publikum jubelte nach dieser Darbietung. Nach der Pause kam eine Sonate von Haydn, die Pilsan als „sehr witzig“ ankündigte und sie dann auch mit raffiniertem Humor spielte. Schuberts große c-Moll Sonate katapultierte das Publikum nochmals durch diverse Universen („ich hoffe, sie sind nachher noch lebendig“, meinte Pilsan vorher), bevor drei Zugaben von Mozarts und Bach die Gemüter langsam besänftigten. Eine solche Moderation hätte man sich dringend am Abend zuvor gewünscht, als drei Sänger und der stets wunderbare Pianist Daniel Heide sich Arien aus Schuberts Opern widmeten. Freilich gab es im Programmheft Erklärungen, aber man geht ja nicht zum Lesen ins Konzert – dieses sollte ein Gesamterlebnis sein. Die Darbieutng erwies sich als langatmig. aber dass das an Schuberts Opern selbst liegt, ist von so prominenten Dirigenten wie Claudio Abbado, Franz Welser-Möst oder Nikolaus Harnoncourt im Verein mit der Regie etwa einer Ruth Berghaus, eines Claus Guth oder Jürgen Flimm eindrucksvoll wiederlegt. Nein, es lag an den Sängern, zumindest an Louise Alder und Martin Mitterrutzner. Die englische Sopranistin feiert zurzeit als Mozarts Susanna in der „Hochzeit des Figaro“ am Opernhaus Zürich Erfolge, vermochte sich aber am Samstagabend in Hohenems lange nicht anzuwärmen. Scharfe Töne, leichte Intonationstrübungen sowie mangelnde Diktion befremdeten. Erst in einer Arie aus dem Singspiel „Die Zwillingsbrüder“ fand sie zu schlanker Phrasierung und sicherer Gestaltung, wobei auch weiterhin so manchen eher blass blieb, man denke an das hier oft gehörte Terzett „Der Hochzeitsbaten“, das man schon um Häuser charmanter erleben konnte. Der Tenor Martin Mitterrutzner mag mit seinem metallischen Tenor gut auf die Opernbühne passen, im Konzertsaal lässt auch er allerhand Wünsche bezüglich differenzierter Gestaltung offen. Der für Konstatin Krimmel kurzfristig eingesprungene Andrè Schuen macht vor, wie es sein soll. Eine kluge Phrasierung, eine klare Diktion, somit eine wunderbare Gewichtung wirklich jeden Tons bei einer überzeugenden Natürlichkeit: das ist die große Klasse des Gesanges. So sorgte Schuen mit einer Gruppe von Liedern von Schubert, die für ihn ins Programm dieses Abends neu aufgenommen wurden, für den herausragenden Höhepunkt des ansonsten eher mühsamen Konzertes.

Fotos: Facebook bzw. Schubertiade

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