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Martha Argerich und Charles Dutoit in Vaduz

 

In der – verglichen mit anderen renommierten Konzertsälen – familiären Atmosphäre des Vaduzer-Saales diese hoch karätigen KünstlerInnen mit einem so wunderbaren Programm erleben zu können, war eine Sensation und viel mehr noch ein Geschenk. Vor allem für uns ÖsterreicherInnen, die wir derzeit im eigenen Land wieder von jeglichem kulturellem Life-Erleben abgeschnitten sind. Bei meines Wissens ähnlichem Infektionsgeschehen wie in Österreich findet in der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein das öffentliche Leben statt, für den Eintritt in kulturelle Veranstaltungen gilt die 3G-Regel und eine durchgehende Maskenpflicht.

 

Charles Dutoit und Martha Argerich waren mal ein Ehepaar und haben eine gemeinsame Tochter

MusikfreundInnen aus dem Fürstentum und auch aus Vorarlberg waren sich bewusst, ein legendäres Konzert zu erleben. Mit der nunmehr achtzigjährigen Pianistin Martha Argerich und dem fünfundachtzigjährigen Dirigenten Charles Dutoit standen zwei Persönlichkeiten auf dem Podium, die Musikgeschichte geschrieben haben, mit der European Philharmonic of Switzerland hingegen ein junges Orchester im zweifachen Sinne. Erst 2015 hat es sich aus dem Gustav Mahler Jugendorchester heraus gebildet, folgerichtig sind seine Mitglieder maximal 35 Jahre alt. Sie spielen vor allem in renommierten Traditionsorchestern und treffen sich in der Schweiz für Arbeitsphasen. Interessant ist, dass die Internationalität der Mitglieder betont wird. Dieses Orchester, das sich kurz EPOS nennt, war die eigentliche Sensation des Abends. Ein Hochgenuss war sein exquisiter Klang in sämtlichen Instrumentengruppen, bewunderungswürdig die Agogik und die Flexibilität im stets tadellosen Zusammenspiel. Selbstverständlich ist dies auch dem Dirigenten Charles Dutoit zuzuschreiben, der mit schlagtechnischer Präzision bei gleichzeitig elastischer Körpersprache unermüdlich das umfangreiche Programm meisterte. Dieses hat begonnen mit der Ballettsuite Jeu de cartes von Igor Strawinsky aus dessen neoklassizistischer Phase, ein vor allem unterhaltsames Stück, reich an Zitaten und geeignet, die Virtuosität des Orchesters zu zeigen. Dann kam der sehnsüchtig erwartete Auftritt der großen Dame der Tastenkunst, Martha Argerich, und ihrer Interpretation des Klavierkonzerts in G-Dur von Maurice Ravel. Frau Argerich wirkte spontan und verströmte in ihrem Spiel eine Unmittelbarkeit, die wohl direkt aus ihrem Herzen kam. Ob es die jazzigen Glissandi waren oder der ungemein zauberhafte Dialog mit der Harfe, ob es das lange, melodische Solo im zweiten Satz war oder in dessen weiterem Verlauf das Zusammenspiel mit dem Englischhorn, oder ob es das Temperament des Finalsatzes war: die große alte Dame mit ihrer charakteristischen grauen Haarmähne erfüllte alles mit ihrer großartigen, ganz persönlichen Intuition. Martha Argerich ließ sich lange um eine Zugabe bitten, schließlich schenkte sie dem begeisterten Publikum noch ein echtes Lieblingsstück: Von fremden Ländern und Menschen aus den Kinderszenen von Robert Schumann. Und nur eine Martha Argerich darf es agogisch so frei spielen, wie sie es hier getan hat.

Nach der Pause setzte sich das musikalische Glück fort mit einer beispielhaften Interpretation der Symphonie Nr.9 in e-Moll Opus 95 Aus der neuen Welt von Antonίn Dvoȓák. Dynamisch in voller Bandbreite hörte man das reich besetzte Orchester, und aus all den vielen Soli sei erneut das Englischhorn hervorgehoben, das den berühmten zweiten Satz einleitet und abschließt. Dass es auch schon in Ravels Klavierkonzert eine Rolle spielte, zeigt, wie feinsinnig die Programmauswahl war. Der warmherzige Beifall des Publikums spiegelte auch die Dankbarkeit wider, so etwas Schönes und Erhebendes in dieser schwierigen Zeit erleben zu können.

(Foto Argerich: Adriano Heitmann, Dutoit: Veranstalter)

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