Es ist eine relativ neue Erfahrung für das Symphonieorchester Vorarlberg, ohne Dirigenten zu spielen. Das heißt, dass die Leitung vom Pult des Konzertmeisters aus erfolgt. Mit Kolja Blacher, dem prominenten Gast aus Berlin, gelang das gut. Zu hören war es am Samstag in Feldkirch und am Sonntag in Bregenz.
Über einen Tyrannen und die Liebe
Angesichts der derzeitigen Weltlage ist es spannend, dass in den aktuellen Konzertprogrammen mehrmals Beethovens Ouvertüre zum Schauspiel „Coriolan“ zu finden ist, handelt dies doch von einem überspannten Tyrannen, der einen Krieg gegen seine Heimatstadt Rom führt, diesen aber aufgrund der Bitten seiner Gattin und seiner Mutter abbricht. Auch das SOV unter der Leitung von Kolja Blacher am ersten Pult der Violinen zeigte die Spannung zwischen der Härte des Coriolan einerseits und der Sanftheit der beiden Frauen andererseits sehr nachvollziehbar. Auch die folgende Symphonie Nr. 95 von Joseph Haydn gelang lebendig, auch klar und durchhörbar – toll das Cello-Solo von Detlef Mielke im dritten Satz. Von den „Londoner Symphonien“ Haydns ist es die einzige in einer Moll-Tonart und passte daher gut zum vorhergehenden Werk. Eine ganz andere Welt wurde betreten mit dem Stück nach der Pause, der Serenade nach Platons „Gastmahl“. Männer, und nur solche, liegen zu Tische. Geredet wird über den Eros und seine vielen Seiten. Aspekte der Macht, der Dämonie, aber auch rein körperliche Auswirkungen hat, kommen zur Sprache, ja, man preist die Liebe unter
Männern als die höchste Form des Eros – durchaus üblich in der antiken Kultur. Inwieweit diese Inhalte sich musikalisch manifestieren, ist schwer zu sagen. Die Aufführung machte vor allem ein fünfsätziges Werk erlebbar, das der komplex geschrieben ist und mit Können interpretiert, von Kolja Blacher, der nun geigend in der Mitte stand, und dem reich besetzten Schlagwerk sowie der Harfe und den Streichern des SOV. Zwei Zugaben dankten für den Beifall.
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