Gleich drei Rollen erfüllte Jörg Widmann beim Bregenzer Meisterkonzert am 31.Oktober im Festspielhaus: er war Klarinettist und also solcher Solist des Klarinettenkonzerts von Wolfgang Amadé Mozart, weiters präsentierte er als Komponist seine Konzertouvertüre Con brio von 2008, und nach der Pause dirigierte er Mozart Jupiter-Sinfonie. Diese drei Rollen erfüllt Jörg Widmann des Öfteren, und es macht ihm kaum etwas aus, wie er in einem Interview bekennt: „Die Formen des Adrenalinausstoßes und der Konzentration sind vielleicht unterschiedlich, aber sobald es Musik ist, bin ich ganz bei mir und tauche ich ein“.
Mit dem wundervollen Klarinettenkonzert von Mozart, dessen Adagio übrigens auch zu Filmehren gekommen ist, begann der Konzertabend. Vielleicht wäre es besser gewesen, erst die Ouvertüre Widmanns zu spielen, denn für die Hörer war es nicht leicht, sich so rasch auf die unglaubliche Verinnerlichung dieses Konzertes einzulassen, das eines der letzten Stücke Mozarts überhaupt ist. Und Jörg Widmann kostete diese Inwendigkeit faszinierend aus. Seine leisen Töne sind berückend schön und stehen im Zentrum seiner Interpretation, die allerdings auch sehr musikantisch und fröhlich werden kann, und da wird der Solist unversehens zum scherzenden Faun, wird etwas zwischen Clown und Magier.
Eine ganz neue Welt tut sich auf mit der Konzertouvertüre Con brio. Widmann hat sie 2008 geschrieben, im Auftrag des Symphonierochesters des Bayerischen Rundfunks und seines Chefdirigenten Mariss Jansons. Da sie im Rahmen eines Beethovenprogrammes uraufgeführt werden sollte, stellte Jörg Widmann sie in Verbindung zu Beethoven. Das geschah in der Besetzung des Orchesters, aber auch mit tonalen Motiven, die gegen Ende erklingen. Sie sind im Stile Beethovens, aber keine Zitate! Und natürlich war Beethoven eigentlich der Erfinder der Form der Konzertouvertüre. Widmanns Con brio arbeitet vor allem mit Orchesterschlägen und geräuschhaften Elementen, etwas Verbindliches kommt eigentlich nur von Quasi-Zitaten. Es vermittelt eine aufwühlende Energie und überzeugt durch eine formale Stringenz.
Ist das Klarinettenkonzert KV 622 eine der letzten Kompositionen Mozarts überhaupt, so ist die Jupiter-Sinfonie seine letzte Sinfonie, jedoch hat er sie drei Jahre vor seinem frühen Tod geschrieben. Zusammen mit der Sinfonie in Es-Dur KV 543 und der Sinfonie in g-Moll KV 550 bildet sie den Höhepunkt des sinfonischen Schaffens Mozarts. Nikolaus Harnoncourt sieht zudem diese drei Sinfonien als ein großes Ganzes, eine Sinneinheit, ja ein „Instrumentales Oratorium“. Unter anderem bedeutet dies, dass der letzte Satz der Jupiter-Sinfonie ein großes Gewicht hat, und das spürte man auch in der Interpretation von Jörg Widmann und der Academy of St Martin in the Fields. Schon allein als Komposition wegen der unglaublichen kontrapunktischen Arbeit gigantisch, gewann er bei diesem Konzert eine Energie, die richtiggehend körperlich spürbar wurde und mitriss. Und bei der ganzen Sinfonie faszinierten die fein ausgestalteten dynamischen Abstufungen und die elastische Musizierweise, von Jörg Widmann dirigentisch vorgegeben und den fabelhaften Musikerinnen und Musikern aus London umgesetzt. Ein wunderschöner Konzertabend!
(Foto Marco Borggreve)
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