Nach zwei Jahren einer durch Corona bedingten Abweichung stand das Festival „texte und töne“ wieder wie gewohnt im ORF-Studio Dornbirn statt. Musiziert haben Mitglieder des Ensemble plus und des Symphonieorchesters Vorarlberg.
Ganz so wie gewohnt war es denn doch nicht, denn wo früher ausschließlich Musik von Vorarlberger Komponisten zur Aufführung kam, hörte man nun auch Anderes. So erklangen im Hauptteil der Veranstaltung, dem abendlichen Konzert des Symphonierochesters Vorarlberg, Werke überregionaler Tonschöpfer. Und diese machten, nicht nur wegen der großen Besetzung, den stärksten Eindruck des von 15h bis Mitternacht dauernden Festivals. Man kann nur vermuten, warum das so ist. Erfreulich daran ist jedenfalls, dass sich damit das SOV mit der großen Musik der internationalen Szene auseinandersetzt. Etwa den mehrsätzigen Flötenkonzert der in Paris lebenden Finnin Kaija Saariaho, die unter anderem mehrere Opern komponiert hat, davon L’amour du loin für die Salzbruger Festspiele, ein großer Erfolg damals, im Jahr 2000. Das Werk, das nun in Dornbirn erklang ist betitelt „Aile du Songe“ – „Flügel des Traums“. Ein beeindruckende Komposition mit dem Solisten Alessandro Baticci und dirigiert von Leonhard Garms. Dieser leitete das SOV auch durch das Auftragswerk des Festivals, dem Concerto grosso „Tunnels of Colliseum-2“, einer emotionalen und klanglich breit gefächerten Auseinandersetzung mit der Coronapandemie. Geschrieben hat es Wladimir Rosinskij, der selbst einmal Mitglied des SOV war und nun in Spanien lebt. Ganz anders, doch nicht minder eindrucksvoll, war „Ionisches Licht“ von Klaus Lang, der im Sinne der Naturtonreihe des Pythagoras Oktaven, Quinten und Quarten schichtete.
In den Stunden zuvor, also wzischen 15h und 20h, hörte man etwa ein Quartett für Schlagzeug von Wolfgang W. Lindner, das spannende Klangereignisse bot, eine Violinpartita, für Bratsche eingerichtet, des Lindauers Nikolaus Brass, gespielt von Andreas Ticozzi, oder ein Werk für Violoncello solo von Wolfram Schurig mit spieltechnischen Finessen, die Jessica Kuhn meisterte. Eindruck machten zwei Lieder für Mezzosopran und Ensemble von Gerald Futscher nach Texten von Michel Houellebecq, auch dank des subtilen Gesangsparts, den die Wienerin Anna Clare Hauf gestaltete.
Gewiss nahmen alle diese Stücke jeweils auf ihre Art für sich ein, und über neue Musik von bloßen und einmaligen Hören her zu urteilen, ist schwierig. Doch eines fiel auf, und es fiel mir auch in letzter Zeit immer wieder beim Erleben neuer Werke auf. Und zwar die Tatsache, dass man sich als HörerIn schwer tut, eine Form zu erkennen. Wir wissen, dass dies seit dem Verlust der funktionellen Harmonik ein grundlegendes Problem ist, doch muss man sagen, dass die KomponistInnen, die das SOV aufführte, es doch mehr oder weniger lösen konnten. Bei sämtlichen Werken der Vorarlberger Komponisten jedoch eher nicht.
Auch Benny Omerzell, der mit einer Improvisation am Klavier dankenswerterweise notwendige Programmverschiebungen aufgrund des Ausfalls einer Musikerin milderte, zeigte dieses Faktum auf. Er verlor sich in freilich ansprechenden Klangflächen und beendete diese dann eher abrupt. Der junge musikalische Allrounder konnte sich damit schon aufwärmen für seine „Late Night Session“, wo er mit dem Ensemble plus musizierte. Auf Seiten der Literatur erlebte man unter anderen Erika Kronabitter, die auch einen tourismuskritischen Text von Renate Aichinger las. Sarah Kuratle gab ein Einblick in ihre fantasievolle Welt, Ingrid Maria Kloser beschäftiget sich mit dem Vorarlberger Kapitel der Marokkanerkinder auf detailfreudige Weise, während Norbert Mayer, auf Bregenzerwälderisch, Deutsch und mit englischem Slang dem Volk aufs Maul schaute. Kundig moderiert haben Eva Teimel und Jasmin Ölz-Barnay.
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