In der Reihe Gitarre AMBACH in Götzis war am letzten Sonntag ein hinreißendes Konzert zu erleben. Das European Guitar Quartet bot wunderbar persönliche Musik, durchwegs Klänge unserer Zeit und mehrheitlich selbst geschrieben von den Mitgliedern des Ensembles. So swingend und sinnlich war diese Musik, dass ich mich mit einem Mal versetzt fühlte nach Granada, wo ich in diesem Frühling ein faszinierendes Erlebnis, ebenfalls mit Gitarrenklängen, hatte. Es war schon gegen Mitternacht am Vorabend des 1.Mai, viele Menschen gingen an der Promenade spazieren, die am Rio Darro entlang führt. Da stand auf dem Mäuerchen, das die Straße vom Fluss trennt, eine Kerze. Wir wurden aufmerksam und sahen über dem Fluss, auf einem kleinen Balkon, einen Gitarrenspieler sitzen, nur aus dem Zimmer heraus erleuchtet, etwas abgedeckt vom lichten Gezweig eines Baumes. Er spielte zauberhaft, und wir hatten das Gefühl, etwas Unvergessliches zu erleben. Was mich betrifft, so habe ich jetzt doch über viele Wochen nicht mehr dran gedacht. Und da kam es plötzlich zurück, dieses wundervolle Hör-und Seh-Erlebnis mit seiner ganzen Sinnlichkeit, an diesem Novembertag in Götzis, allein mit den Klängen des European Guitar Quartets. Es gäbe noch viel zu schwärmen über das Spiel dieser vier Herren multinationaler Herkunft, ob Zoran Dukic, Kroate mir serbischen und bosnischen Wurzeln, der in Barcelona und London zuhause ist, oder den asketischen Tschechen mit Tiroler Namen Pavel Steidl, oder den in Holland lebenden Deutsche Reentko oder schließlich den Leipziger Thomas Fellow, dem das Publikum zudem eine äußerst humorvolle Moderation dankte. Was mich bei diesem Konzert aber am meisten bewegt hat, ist, dass es heutige Musik gibt, die einem berühren und mitzureißen vermag, und dass diese Musik auch ein hohes kompositorisches und intellektuelles Niveau haben kann. Ähnliche Gedanken gingen mir durch den Kopf, als ich letzen Dienstag im ORF Studio Dornbirn sieben jüngere Jazzer Vorarlberger Herkunft erlebt habe, die sich mit ihrem Kompositionen um den Kulturkreis der Casinos Austria Bregenz beworben haben. Auch hier Niveau gepaart mit spannenden Klängen, Berührendes und Sinnliches. Da fragt es sich, warum es diese Musik der Avantgarde braucht, die vor allem im November vielerorts Platz greift, hier in Vorarlberg mit Texte und Töne an diesem Wochenende und nächstes mit den bludenzer tagen zeitgemäßer musik. Das sind, zumindest hierzulande, Konzerte, bei denen wenig Publikum kommt, die Musiker und Komponisten sich daher gegenseitig zuhören und die Kritiker pflichtschuldigst erscheinen und wieder einmal des Kaisers neue Kleider bewundern, denn es traut sich niemand sagen, wie verkopft und strapaziös das alles ist, vor allem, wie diese so genannte Avantgarde seit Jahrzehnten auf der Stelle tritt. Doch man darf das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Die letztgenannten Festivals sind das Versuchslabor für zukünftige Musik, und vielleicht finden sie ja wieder einmal was wirklich bahnbrechendes, sowie ein Chemiker in seinem Labor vieles probiert, ehe er mit einer Erkenntnis an die Öffentlichkeit gehen kann. Musik muss man aufführen und anhören. Weniges davon ist von Dauer, das ist heute nicht anders als früher.
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