Das Gespräch fand am 16.Oktober 2008 in der Mittagspause zwischen zwei Proben des Concentus musicus im Café Schwarzenberg in Wien statt. Wie alle meine im Blog veröffentlichten Interviews über Nikolaus Harnoncourt diente auch dieses der Recherche für das Buch Oper, sinnlich, das ich zusammen mit Johanna Fürstauer verfasst habe und das 2009 im Residenz Verlag Salzburg erschienen ist.
Anna Mika: Herr Professor Höbarth, seit wann sind Sie Mitglied des Concentus?
Erich Höbarth: Seit 1981. Die ersten Jahre war ich noch nicht Konzertmeister, saß aber gleich neben Alice Harnoncourt. Ab circa 1984 bin ich Konzertmeister. Alice hätte diese Aufgabe noch ohne weiteres fortführen können, hat sich aber so entschieden.
Sie erfüllt ja auch sonst so viele Aufgaben, ist z.B. musikalische Assistentin.
Absolut! Es ist unglaublich was sie macht. Sie kümmert sich um sämtliche Verbindungen zur Außenwelt. Dann die Übertragung der Inhalte aus seiner Partitur in sämtliche Stimmen, eine allein schon manuell immense Arbeit! Wenn man eine ganze Oper übertragen will, sitzt man für jede Stimme mehrere Stunden.
Es sind also viele Vortragszeichen von NH schon von vorneherein in die Noten geschrieben!
Ja, die Artikulation, wie lang, wie kurz ein Ton ist, ob gebunden oder nicht, die Dynamik! All das.
Auch Sinninhalte. Ich habe mal in Zürich gespechtet, und da stand ausgerechnet bei den Kontrabässen drinnen „erotisch“
Ist ja wichtig, nicht! Das könnte niemand so wie Alice, auch in der Atmosphäre bei den Proben. Gut, ich spiele die Soli, aber sie kann nach wie vor am besten vermitteln zwischen ihm und dem Orchester. Das ist derartig eingespielt und auch für ihn so beruhigend. Es wäre ganz anders, wenn sie nicht mehr im Concentus spielen würde, das wäre eigentlich nicht denkbar.
Auch nicht denkbar, dass jemand anderer als NH dirigieren würde.
Für mich undenkbar!
(Bei Veröffentlichung dieses Interviews im Dezember 2019 auf diesem Blog wissen wir es anders. Nach dem Tod von Nikolaus Harnoncourt im März 2016 hat Stefan Gottfried die Leitung des Concentus übernommen, unter Mitwirkung von Erich Höbarth)
Er denkt auch nicht ans Aufhören, oder?
Nein überhaupt nicht, im Gegenteil, es wird immer mehr, unglaublich!
Das Buch geht also über die Opern. Konzertant war Theodora, Jephta,…
Beide Werke gehen eigentlich als Oratorien.
Aber gelegentlich gibt s auch halbszenisches, und auch von den Inhalten wird es ja oft echt dramatisch…
Weil er es so suggestiv macht. Die Rezitative zum Beispiel, da vermeidet er total, nur die Noten zu machen, da steht der Inhalt vollkommen im Vordergrund, dadurch ist die Bühne oft gar nicht so wichtig! Obwohl es schön ist, wenn es sie gibt.
Und wenn wir Oper machen so gibt es ganz besondere Probleme, etwa mit der Koordination, wenn die Sänger ganz hinten auf der Bühne sind oder beispielsweise am Boden liegen, das gibt dann ganz neue Probleme. Da braucht man eine lange Probenzeit.
Halbszenisch war der Schauspieldirektor oder Zaide…
…ohne Kulissen, aber mit Aktion.
Szenisch war 1979 Jephta mit dem Concentus, wissen Sie davon schon?
Nein, da war ich noch in der musikalischen Windelhose (lachend)
Dann Dido in Graz 1985, mit den jungen Hampson.
Genau, und Combattimento von Monteverdi, das war zusammen an einem Abend, wurde im Grazer Landestheater gemacht. Damals war Frau Herberstein die Intendantin der styriarte, hat das mit großem Enthusiasmus angepackt, allerdings waren nur zwei Aufführungen, und das ergab ein riesiges Defizit, also war sie gleich wieder weg.
Ach deshalb!
Opernproduktionen müssen überlegt sein! Wenn es nur zwei Aufführungen gibt! Denn die ganzen Vorlaufkosten sind immens. Es war schade, denn es war eine schöne Aufführung. Hollweg hatte den Erzähler im Combattimento gemacht, sehr ausdrucksstark!
Waren Combattimento und Dido szenisch verbunden?
Nein Combattimento stand ganz für sich. Da waren nur die beiden Combattanten in schwerer Rüstung, sehr eindrucksvoll. Die beiden sind ganz langsam aufeinander zu, das war sehr schlicht aber sehr gut, der Kampf dann in Zeitlupe. Für mich war es der erste Monteverdi, den ich gemacht habe. Sehr beeindruckend, denn auch streicherisch gibt es da viele Dinge zum ersten Mal, beispielsweise diesen Tremoloeffekt, (singt es)
Das Concitato?
Genau: stile concitato
Dann will ich fragen: gab es diesen Saul, der in Zürich war, auch in Wien?
Ich war in diesen Jahren nicht bei allem dabei, denn ich war 1980-87 auch Symphoniker, und da ging es sich nicht immer aus. Den Saul haben wir schon konzertant gemacht, da erinnere ich mich.
Paul Esswood war in Zürich der David.
Mit Esswood gab es viel, der war dem NH eine Zeitlang sehr verbunden
Dann war Giulio Cesare.
Da war ich eben auch nicht dabei!
Von der Produktion schwärmen alle, aber ich war nicht dabei. Das war doch in Frankfurt?
In Frankfurt war es meines Wissens „Castor und Pollux“. War da der Concentus das Orchester, doch nicht, oder?
Ich weiß es nicht. Und auch bei den ersten Monteverdi-Geschichten, die in Zürich waren mit Ponnelle, da war auch der Concentus nicht dabei.
Das weiß ich und ich hatte schon ein Gespräch mit dem Musiker des damaligen Monteverdi Ensembles (Erich Zimmermann, siehe dort!)
Mein erster Monteverdi szenisch war Il coronazione di Poppea in Salzburg.
Ja das habe ich gesehen und es war so wunderbar, der Concentus war da im selben Orchestergraben wie früher die Philharmoniker. Super, mit den schönen Frauen des Concentus, ganz was Neues, Tolles!
Gell das war super! (lacht)
Was nun ist das andere bei Opern, wo der CM im Graben sitzt?
Szenische Produktionen haben eine ganz neue Vorlaufzeit. Da hat man Zeit, in das Werk hineinzuwachsen, sich ganz vertraut zu machen. Auch beim Idomeneo jetzt (Graz 2007) war es so, man hat bei der Premiere die Oper wirklich intus gehabt, jeder von den Musikern. Bei Konzerten geht das schnell, nach ein paar Tagen muss man schon ein Ergebnis präsentieren. Und bei einer Oper…ja, ich habe das gerne.
Allerdings möchte ich das nicht immer machen, als Wiener Philharmoniker (dem Orchester der Wiener Staatsoper, Anm.) wäre ich nicht ideal. So wie es beim Concentus ist, etwa einmal pro Jahr, so ist mir das sehr recht.
Inzwischen Oper einmal pro Jahr, so oft?
Ja wenn man das Theater an der Wien nimmt!
Kehren wir nochmals zu Poppea zurück! Da war ja die Bühne um das Orchester herum gebaut, die Aktionen waren da auch vor dem Orchester und seitlich davon.
Ja! Ich fand das Duett am Ende sooo schön. Sylvia McNair und Philipp Langridge waren so ein wunderbares Paar. McNair hat so eine niveauvolle Kurtisane abgegeben. Das ist ja der Witz an dem Ganzen, sie muss ja ein Niveau haben, um sogar den Kaiser zu betören. Und diese Sängerin hatte dieses Niveau, eine Erotik, die weit über den billigen Effekten steht. Auch von der Inszenierung her war das sehr gut gemacht.
Als nächste Produktion in Salzburg und mit Flimm war der King Arthur von Henri Purcell. Und von der war ich doch etwas enttäuscht. Zwischen den beiden Produktionen lagen elf Jahre. Für uns ist es ja nicht so leicht, in Salzburg hinein zu kommen, da passen die Wiener Philharmoniker schon auf. Ich fand, dass dieser Arthur zu sehr auf den Klamauk ausgerichtet war…
…Flimm hat mir gesagt, er hätte es geliebt.
Ja stimmt, und es ist ja in seiner Weise sehr gelungen. Doch nur als Beispiel: Es gab so eine ganz, ganz innige Arie da drinnen, wo der Michael Schade so eine übertriebene Lederhose anhatte, mit einem Herzerl. Es wurde alles ein wenig, Entschuldigung, auf Deutsch, verarscht. Es gibt aber bei Purcell auch so viel Innigkeit da drinnen, und da muss man umschalten können. Es gibt viel Spaß bei ihm, aber auch tiefen Ernst. Seine Gambenfantasien, wie er geschrieben hat, wie er knapp über zwanzig war… man muss wissen dass dieser Mensch eine solche Tiefe hatte, und das sollte man auch hören dürfen! Ich glaube dass Nikolaus auch dieser Meinung war.
Und er hat sich da nicht eingebracht?
Nein, wenn Nikolaus irgendwo drinnen ist, ist der ganzen Sache gegenüber loyal. Da weiß er ganz genau, das muss in der Zusammenarbeit bewältigt werden, und da gibt es selbst sein Bestes dazu. Ich persönlich glaube, dass er diese Inszenierung auch nicht optimal gefunden hat, aber er hatte das nie geäußert. Das ist eine Hypothese von mir! Es gab natürlich schon berührende Momente: die Schauspieler waren ja sehr gut! Vom Thalia Theater, z.B. Silvie Rohrer: da gibt es eine Szene, wo sie blind ist und dann sehend wird, das war sehr bewegend. Also eigentlich war es so dass in den schauspielerischen Passagen mehr Berührendes war als in den musikalischen, in der Musik selbst war aber schon wieder vorhanden.
Es war eine Art Revue, nicht ganz mein Fall.
Flimm hat mir eben erzählt, dass NH gesagt hätte, das sei das erste Musical der Musikgeschichte, und Flimm meinte dann: das sagst DU mir nicht zweimal.
Ah ja? Ja vielleicht wollten sie das wirklich beide so. Es hat natürlich schon was davon, es gibt Szenen drinnen die kann man nicht ernst machen. Wie die da einem Weg suchen, das ist derart skurril… Im England der damaligen Zeit war das verwoben, man muss nur an Shakespeare denken.
Ja, ich kenne eine Masque von Purcell, die sind ja auch wie eine Show.
Einmal ganz ernst und dann wieder Spaß! Man konnte diese Dinge wirklich verweben, denn offenbar war damals in England der finanzielle Faktor nicht gegeben. Da hat man z.B. ein Theaterstück mit Zwischenmusiken gemacht. Nehmen wir den „Sturm“ von Shakespeare, da kam dann Musik von Matthew Locke oder Purcell o.ä., endlos lang, dann wurde gegessen…
Da waren die Menschen natürlich nicht so konzentriert auf das Gebotene wie heute.
Das natürlich, aber es war unglaublich opulent, ein Fest! Wenn man solche Quellen liest, so ist das unglaublich aufschlussreich.
Aber wie Sie sagen, sowas wäre heute nicht mehr zu finanzieren!
Eben der aktuelle Idomeneo war schon am Rand des finanziellen Fiaskos. Dadurch dass alle Vorstellungen voll waren, ging das dann doch. Mathis Huber weiß was er macht. Man musste ja ein erstklassiges Ballett engagieren, und einen super Chor, Orchester, Solisten…
Dabei war es szenisch schlicht.
Ja, eben kann man heute finanziell nicht mehr so üppig sein.
Zwischen Idomeneo und Poppea war auch noch Haydn: L’anima del filosofo. Das war ja eine echte Entdeckung, niemand konnte sich vorstellen dass eine Oper von Haydn derart toll sein konnte.
Ich bin der Meinung, dass eine der wichtigsten Sachen der letzten Zeit, die NH für die Menschheit gemacht hat, die vollständige Rehabilitation der Opern von Haydn ist. Bei den Symphonien gibt es andere Leute auch, die das sehr gut gemacht haben, natürlich auch die Kammermusik. Aber der Oper, da hat man immer gemeint, im Gegensatz zu Mozart sei das doch gar nicht interessant. Aber Nikolaus, dadurch dass er eine solche Opernpranke hat, bei ihm ist ja jede Kleinigkeit, jedes Rezitativ mit Ausdruck ausgefüllt. Und da hat man dann gesehen, welches Potential in diesen Werken steckt.
Apropos Rezitative: da geht es ja nicht nach dem Takt.
Überhaupt nicht, denn die Taktstriche sind Orthographie, das haben die Komponisten so geschrieben, man konnte ja keinen 5/4 Takt hineinschreiben. Es gibt Quellen, die genau besagen, dass der sprachliche Gestus dominieren muss, alles andere muss sich unterordnen. Also in dem Moment wo ein Rezitativ nicht überzeugend wirkt, kann man es vergessen, egal ob italienisch oder deutsch.
Also der Sprachduktus ist das entscheidende, doch die Tonhöhe bleibt gewahrt.
Die bleibt natürlich gewahrt, aber auch dort darf das Singen nicht überhand nehmen. Auch wenn es schwierig zu singen ist, muss das Sprachliche im Vordergrund bleiben, sagt er.
Und die Accompagnato-Rezitative?
Genau so, das erfordert dann vom Orchester viel Flexibilität, da darf es dann nicht sagen: das was in den Noten steht, das spielen wir. Bei Idomeneo ist ja schon was angelegt. was direkt auf Wagner hinweist, nämlich dass sie Accompagnato-Rezitative direkt nahtlos in die Arien übergehen. Der Schluss von der Ouvertüre geht auch schon ins erste Rezitativ über. Das hat Nikolaus dann so gemacht, dass die letzten Takte der Ouvertüre schon rezitativisch waren, so dass man nicht wirklich sagen kann, wann das Rezitativ anfängt. Das ist die Zukunft der Oper ins 19.Jahrhundert hinein – Wagner hat das dann besonders „deutsch“ (lacht) ausgeführt – dass die Nummeroper verschwindet.
Weil wir grade bei Wagner sind, es ist doch interessant welche Komponisten NH n i c h t dirigiert.
Ich bin garnicht so sicher, ob er nicht doch noch einmal in seinem Leben Wagner machen wird, denn es gibt etwas, was ihn dran interessiert, aber eben auch was, was ihn abstößt.
C.H.Drese träumt davon dass NH noch in Bayreuth den Tristan dirigieren würde…
…es ist halt so, im Moment hat er die Energie total, doch er kann jetzt nicht mehr das ganz Jahr voll planen. Er muss ganz konsequent Sachen auslassen, auch wenn sie ihn reizen würden. Er kann seine Jahre nicht ganz negieren.
Dennoch sagen manche Sänger, er hätte eine schier unglaubliche Energie beim Proben.
Die beschämt einen fast oft. Aber man muss dazusagen, dass der Leiter einer Sache, der, der ansagt, in einer Art rauschhaftem Zustand ist, einer erhöhten Energie von extremer Kreativität, während ein Ausführender anders dran ist. Man beginnt etwas, wird wieder und wieder unterbrochen. Das kostet Kraft. Es sind einfach verschiedene Rollen. Das muss man bedenken.
Zurück zu Haydn: ich finde auch die Dramatik der Chöre und Arien unglaublich.
Ja, und da muss man aufpassen dass man das nicht zu gerade macht, das Gestische…
In späteren Jahrhunderten steht genau in den Noten was man zu tun hat. Bei Haydn ist eine Notation nur eine Annäherung, es muss immer leben, eine Richtung haben, einen Sog wo die Musik hingeht. Dann die Dynamik. Man hat ihn immer ein wenig zu brav gemacht, so Papa-Haydn-mässig.
Er war am Schluss schon ein Papa, aber eben ein Gigantischer. Das Brave gibt es bei ihm bis zum Schluss nicht.
Die Jahreszeiten, ein Alterswerk, was da für eine Kraft drinnen ist!
Ja, es ist eigentlich jung.
In L’Anima hat ja Roberto Saccà damals seinen Durchbruch erlebt.
Ja Saccà! Und die Bartoli war auch toll und die Eva Mei! Ich finde es aber schade dass die Beziehung zwischen NH und der Bartoli so abrupt geendet hat. Ich wüsste gerne warum. Wissen Sie es?
Ich weiß was von einem Mitarbeiter der styriarte. Es ging um eine Honorargeschichte in Stainz ( ich erzähle es)
Sowas habe ich mir gedacht, wobei ich nicht glaube dass das das einzige war. Bartoli als Person ist ja eigentlich reizend! Aber alles hat zwei Seiten, beide sind große Stars. Es gab dann noch was. Ein Konzert wurde auf Video aufgezeichnet, und sie fand dass sie dabei unvorteilhaft aussah. Er hat das damals nicht verstanden, er hatte gemeint, ich habe mein Bestes gegeben, und das ist doch lächerlich, nur wegen dem Aussehen….
Aber man versteht beide Seiten…das Video wurde dann doch produziert, kam auch im TV.
Orlando paladino war auch Haydn, soll ja auch ganz fulminant gewesen sein?
Ja und auch die Symphonien, (wir schweifen ab….)
NH sieht ja die Instrumentalmusik bei Mozart als verkappte Opern.
Das ist immer präsent bei ihm.
Dann Lucio Silla!
Da war folgende Geschichte: das wurde zuerst konzertant gemacht mit einer irren Besetzung: Gruberova, Bartoli, Schreier….einer war besser wie der andere.
Das wurde dann wirklich übertroffen von dieser wunderbaren Inszenierung von Claus Guth. Ich habe ja als Konzertmeister das Glück, so zu sitzen dass ich auf die Bühne schauen kann.
Das Glück haben nicht alle vom Orchester!
Nicht alle! Zuerst war es ein akustisches Problem, denn es gab ein Tunnel nach hinten, und die Sänger waren dadurch immer musikalisch zu spät, und NH kann sich ja nicht teilen, wenn er den Sänger anzieht, gehen alle mit. Aber zum Schluss ging es gut.
(Ich erzähle von Ponnelles Silla in ZH)
Diese römische Optik geht heute nicht mehr, diese Zeit ist vorbei, die moderne Auffassung von Guth war so nahe, so glaubhaft.
Es ist keine halbfertige Jugendoper!
Es ist irrsinnig stark, etwas vom besten des jungen Mozart Und auch abgründig, gar nicht harmlos. Nicht zu fassen, wie er in dem Alter so etwas schreiben konnte
Il re pastore war auch eine der konzertanten Opern.
Da war ich nicht dabei.
Reden wir über Idomeneo nochmals!
Für uns vom Orchester war es besonders interessant, eine eher spätere Mozart Oper zu spielen, und die Tatsache dass Nikolaus selber inszenierte, war natürlich auch spannend, gemeinsam mit seinem Sohn. Es war alles in einer Hand und die Harmonie war toll spürbar! Die zwischen Vater und Sohn und die zwischen Musik und Szene. Es war klar, dass die Szene aus der Musik heraus entwickelt wurde und dass die Musik immer zu ihrem Recht gekommen ist. Ich habe auf diese Weise diese Oper genau kennen gelernt. Auch wenn man sie schon das eine oder das andere Mal gehört hat, kennt man sie nicht, denn sie ist sehr komplex, vielschichtig, anders als Die Zauberflöte oder Don Giovanni. Es war ein wichtiger Punkt in meinem Leben, diese Oper von vorne bis hinten genau erleben, zu proben.
Es ist einfach für ein Orchester wunderbar ein Werk gründlich zu arbeiten, auch wenn der eine oder die andere raunzt über die lange Probenzeit, aber man kann der Sache halt auf den Grund gehen. Es bleiben dann keine Dinge, die so halb sind. Und der Anspruch bei Mozart ist sehr, sehr hoch.
Eine grundsätzliche Frage: Erklärt NH ihnen als Orchester die Bedeutung des Subtextes?
Ja, wo es zeitlich geht schon. Er erklärt es uns auch wenn er einen bestimmten Ausdruck haben möchte. Er sagt uns auch Quellen wo das behandelt wird, Mattheson o.ä….. Natürlich hält er in den Proben keine Vorträge.
Bei Idomeneo ist die Sache insofern kompliziert, weil die Münchner Fassung die eigentliche Fassung ist. Die Wiener Fassung war eine Konzertfassung und wurde so gemacht auf Verlangen der Sänger, auch ein Geigensolo sollte vorkommen. Also er musste Erwartungen erfüllen. Es gibt dann auch die spätere Elektraarie, die ist fantastisch, aber sie stört die Dramaturgie. Am Ende. Das muss man konzertant machen. Das hat NH auch, ein halbes Jahr vorher im Musikverein alle diese Arien konzertant gemacht. Da gab es dann auch dieses Violinsolo mit Michael Schade als Idomeneo.
Es waren ja Musiker auf der Bühne bei der Ilia-Arie, ein wenig abgeschaut von Ponnelles „Entführung“, aber schön!
Die haben das sehr gerne gemacht, hatten keine Hemmung, auf der Bühne zu stehen.
Der Subtext ist ja wohl auch der Grund, warum der Schluss von Idomeneo in einer visionären Sphäre von Zeit und Raum schwebt. Ich war in den letzten Proben, und da hat NH einmal erklärt, dass in dieser Abschiedsrede von Idomeneo so viel Dissonanzen seien wie in der ganzen Oper sonst zusammen nicht…
Ja, die ist unglaublich, dieses Rezitativ….
…und das hat NH veranlasst, da einen Zeitsprung anzunehmen.
So war das! Es ist diese alte Philosophie des Idomeneo obsolet geworden. Idomeneo hält da nochmals eine riesige Predigt, aber niemand hört ihm zu, die sind alle schon ganz woanders. Das ist dieser überzeitliche Faktor. Das merkt man auch schon viel früher im Stück, das Idomeneo am Alten klammert und alle anderen woanders sind. Das war ja auch zu Mozarts Zeit, dass dieses ganze monarchische Gedankengut sich überlebt hat, das drückt er auf diese Weise aus, auch bei Figaro und Don Giovanni.
Mozart hat ja sehr politisch gedacht….
Wie auch Schostakowitsch. Diese Leute haben unterschwellig ihre politische Meinung kundgetan. Das haben die Fürsten oft nicht bemerkt, was das für ein Zündstoff war.
Schön dass wir jetzt mit NH jemanden haben, der das aufzeigt! Und dieses Ballett haben sie sicher überzeugend gefunden?
Ich habe es wunderbar gefunden. Nur ist ein Problem dass man als Orchester mit einem Ballett selten musikalisch wirklich zusammen ist. Die Proben das mit irgendeiner x-beliebigen Aufnahme, und dann haben sie ein Choreografie, die schon relativ fixiert ist, und dann kommt NH mit seinen speziellen musikalischen Auffassungen. Sie sagten dann beispielsweise: dieses Tempo haben wir langsamer geprobt, dann musste NH was machen, was er nicht wollte. Obwohl die Musik gut war, und die Tänzer gut waren. Da hätte man enger und länger zusammen arbeiten müssen, dass die wirklich früher dabei gewesen wären. Oder der Choreograf sich besser informiert hätte. Das Zusammenkommen fand zu einem Zeitpunkt statt, wo die Proben auf beiden Seiten schon zu weit waren.
So jetzt muss ich aber zur Probe.
Ganz herzlichen Dank!
(Foto styriarte)
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