Vor mehreren Jahren, vielleicht sind es zehn oder fünfzehn, sah ich bei meinem Klavierbauer Michael Szécsényi ein Instrument stehen, das mich sofort in seinen Bann zog. Es war ein zierliches Spinett moderner Bauart aus dem Hause Neupert. Er bot es mir zum Kauf an, und nach einigen Tagen Überlegung gehörte es mir und wurde in mein Musikzimmer im zweiten Stock unseres alten Holzhauses in Schwarzach, Vorarlberg, gebracht. Der zart-schwebende Klang faszinierte mich, und auch, dass man auf ihm in alten Stimmungen spielen konnte. Das Stimmen machte mir entgegen meiner Befürchtungen große Freude, natürlich mittels eines elektronischen Stimmgeräts. Besonders gerne hatte ich die Kirnberger-Stimmung, eine Stimmung, die der wohltemperierten sehr nahe ist, aber dennoch noch nicht alle Tonarten gleich klingen. Johann Kirnberger war – was aber als nicht ganz erwiesen gilt – ein Schüler Johann Sebastian Bachs. Ja genau, ich wollte Bach auf meinem Spinett spielen, wobei meine pianistischen Kenntnisse mangels regelmäßigen Übens inzwischen nicht mehr über die zweistimmigen Inventionen hinaus gehen. Doch mein Spinett begann, mich zu fuchsen, denn der Anschlag wurde mehr und mehr ungleich. Herr Szécsényi zeigte mir, dass man pro Ton an einem Schräubchen drehen könne und damit die Anschlagstärke modifizieren könne. Doch entweder reichte meine Geduld dafür nicht aus oder mein technisches Fingerspitzengefühl. Diese Tüftelei war einfach nicht mein Ding und die wenigen Male, wo ich für mich selbst zum Musizieren kam, verbrachte ich wieder mehr und mehr an meinem Klavier.
Schon beim Kauf erzählte mir Herr Szécsényi, dass der erste Besitzer dieses Instrumentes der Dichter Karl Heinrich Waggerl war, was er durch ein Dokument belegt war. Waggerl war für meinen Mann und mich zu den Zeiten, als wir in Salzburg studierten und lebten, geradezu eine Leitfigur. Wir lasen seine Bücher und bewunderten seine Bilder – er war ja ein Universalkünstler und offenbar auch musikalisch. Dieses Wissen um den geschätzten Erstbesitzer machte uns dieses Instrument noch einmal wertvoll.
Nun war es eben so, dass ich kaum mehr spielte auf dem Spinett. Und da ich der Meinung bin, dass ein Musikinstrument gespielt werden muss, trug ich mich mit dem Gedanken, es zu veräußern. Über eine Sendung im Ö1 erfuhr ich vom Waggerl Haus in Wagrain, dem Haus, in dem der Dichter mit seiner Frau Edith, genannt Dita, lebte und das nun als Museum geführt wird. Ich setzte mich mit dem Trägerverein „Blaues Fenster“ in Verbindung und stieß auf reges Interesse. Nach wenigen Verhandlungen mit der Obfrau Maria Walchhofer und einem Besichtigungstermin bei uns zu Hause in Vorarlberg entschloss sich der Verein zum Ankauf des Instruments. Und so brachten mein Mann und ich das Spinett an den Ort zurück, für den es angeschafft wurde, ins Waggerl-Haus nach Wagrain.
Wir kamen an einem Abend Anfang Mai an. Das ist die Zwischensaison in Wagrain, und das Museum öffnete erste wenige Tage später wieder. Wir erhielten also von der so freundlichen Frau Walchhofer eine exklusive Führung und konnten alle Räume sehen. Etwa das Gästezimmer, wo das Ehepaar Waggerl seine vielen Besuche beherbergte, oder das Schlafzimmer, dessen Möbel im Bauhaus-Stil Karl Heinrich Waggerl selbst entworfen hat. Oder die Küche mit dem urigen Holztisch, der das erste Möbel war, das der Dichter besessen hatte. Oder seine Werkstatt, wo er vor allem der Buchbinderei frönte. Und schließlich das Esszimmer, wo das Spinett seinen nunmehrigen Platz fand.
Wie das Spinett überhaupt nach Voralberg gekommen ist, konnte ich bisher nicht herausfinden. Herr Szécsényi ist leider vor zwei Jahren plötzlich verstorben, ihn kann ich nicht mehr fragen. Ein Freund unserer Tochter sah das Spinett einmal bei uns stehen und erkannte es sofort als das „Waggerl-Spinett“. Denn er hatte, wie er uns erzählte, es vor Jahren in einem Haus in Bregenz „in eher desolatem Zustand“ entdeckt – Herr Szécsényi hatte also eine großartige Restaurationsarbeit geleistet. Der Freund konnte sich aber beim besten Willen nicht mehr an die Familie und die Adresse erinnern. Vielleicht kann ja ein Leser oder eine Leserin meines Blogs weiter helfen? Ich wüsste die Geschichte dieses Instrumentes gerne.
In jedem Falle bin ich glücklich, dass das Spinett nun einen sinnvollen Platz gefunden hat. Im Waggerl-Haus weist es hin auf die Musikalität des Ehepaares, es hat eine wunderschöne Ausstrahlung und es soll sogar für kleinere musikalische Aufführungen, vor allem Stubenmusik, beigezogen werden.
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