Längst sind die Konzerte der Reihe Dornbirn Klassik ein Geheimtipp für Musikkenner. Die Eröffnung des Abozyklus 2018/19 am vergangenen Dienstag ragte unter all diesen tollen Programmen noch einmal heraus, sodass viele Musikschaffende aus dem Land und erfreulicherweise auch viele junge Leute neben den angestammten Abonnenten das Kulturhaus Dornbirn füllten. Es spielte das Kammerorchester Basel, geleitet vom prominenten Oboisten, Dirigenten und Komponisten Heinz Holliger, dazu spielte Violin-Weltstar Patricia Kopatschinskaja, und sie präsentierten eine sensationelle Mischung aus Wiener Klassik und Zeitgenössischer Musik.
Die Gegenüberstellung von Alter Musik, und dazu kann die der Wiener Klassik gezählt werden, wenn sie so unkonventionell interpretiert wird wie hier, und von Zeitgenössischer Musik ist stets von ganz besonderem Reiz. Denn idealerweise wohnt beiden eine gewisse Klarheit inne, vielleicht eine Ausgewogenheit von Ratio und Emotion. Sämtliche Interpreten dieses Abends sind unüberbietbare Könner dieser beiden Genres Klassik und neue Musik, und sie boten zuerst einmal einen ganz besonderen Blick auf Werke von Schubert und Mozart. Nach einer von behutsamen Leichtigkeit geprägten „Ouvertüre im italienischen Stil“ in D-Dur D 590 folgte Mozarts Violinkonzert KV 218, ebenfalls in D-Dur. Patricia Kopatschinskaja als Solistin stand in lebhaftem Dialog mit dem fabelhaften Orchestermusikern, spielte blitzsauber, sehr authentisch und, wie immer, barfuß. Großartig, wie das Orchester im letzten Satz die Klänge einer Drehleier nachahmte! Hatte Kopatschinskaja diese Idee von Teodor Currentzis, mit dem sie ja schon musiziert hat und der sagt, dass in Mozarts Orchester oft eine Drehleier mitgespielt hat? Jedenfalls war der Effekt sensationell. Und mit der modern klingenden Kadenz schuf die Geigerin eine Verbindung zum Herzstück des Abends, dem Violinkonzert „Die Leier des Orpheus“ von Sofia Gubaidulina. Diese Komposition von 2006 der mittlerweile Siebenundachtzigjährigen ist großartig und überzeugte das Publikum. Hell-gleißende Farben von Triangel und Violinen wechseln mit dunklen von Celli und Bässen. Viele Klangereignisse lösen einander in zwingender formaler Logik ab, und ein Zitat des Landsmannes von Sofia Gubaidulina, Dmitri Schostakowitsch, bildet eine melodische Insel. Wunderbar, dass diese Musik auch viele konservativ eingestellte Abonnenten begeistert hat, und wunderbar, dass man einmal wieder ein wirklich großes Werk unserer Zeit im Ländle hören konnte – das passiert viel zu selten. Dirigent Heinz Holliger brachte auch eine eigene Komposition zu Aufführung: „Meta arca“ für fünfzehn Streichinstrumente. Allerdings wirkte sie nach dem genialen Werk von Sofia Gubaidulina blass. Doch konnte zum Abschluss des Abends der 1939 geborene Heinz Holliger noch einmal als Dirigent überzeugen, denn in Schuberts Sinfonie Nr.6 legt er erneut den Fokus auf dessen kompositorische Auseinandersetzung mit seinem Konkurrenten Rossini. Diese wurde ja schon in der einleitenden Ouvertüre thematisiert, doch was sich hier unter Holligers Händen im Finalsatz dieser „Kleinen C-Dur-Sinfonie“ offenbarte, war so frappierend wie unterhaltsam, durch die vielen Rubati musikalisch gewagt, aber voll überzeugend.
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