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Breegnzer Festspiele: Die Judith von Shimoda

Am Donnerstag, kurz vor dem Ende der Bregenzer Festspiele 2023, wurde die Oper „Die Judith von Shimoda“ auf der Werkstattbühne uraufgeführt. Für alle Ausführenden, SängrInnen wie MusikerInnen höchst herausfordernd und auch fürs Publikum anstrengend, aber dennoch lohnend.

Bibelkundige kennen die Geschichte der schönen Judith, die ihr Volk vor der Eroberung durch die Assyrer rettete, indem sie deren Feldherrn Holofernes betörte und schließlich im Schlaf den Kopf abschlug. Weniger blutig, aber ähnlich wirkungsvoll war die historisch belegte Aktion der Geisha Okishi. Um 1850 kamen amerikanische Handelsschiffe nach Japan und drangen ohne Respekt in die bis dahin sehr geschlossene Kultur des Inselstaates ein, wenn nötig mit kriegerischen Übergriffen. Eine solchen konnte Okishi abwenden, indem sie für den amerikanische Generalkonsul Harris (Timothy Connor) die von ihm dringend verlangte Kuhmilch besorgte, ein nach japanischem Brauch verpöntes Nahrungsmittel. Für die Rettung ihrer Stadt Shimoda wurde die junge Frau jedoch keineswegs gefeiert, sondern vielmehr geächtet, als „Amerikanerhure“ und weil sie gegen die japanische Tradition verstoßen hat. Die Parallelen zu Puccinis „Madame Butterfly“, der Oper auf dem See, liegen auf der Hand bei dieser Geschichte, die nach einem Schauspiel aus Japan von Bertold Brecht fragmentarisch hinterlassen wurde. Für den Komponisten Fabián Panisello hat Juan Lucas ein deutschsprachiges Libretto in elf Bildern geschaffen. Und Carmen C. Kruse hat das Stück, als kurzfristige Einspringerin für Philipp M. Krenn, mit glücklicher Hand inszeniert. Sehr wirkungsvoll ist das Bühnenbild von Susanne Brendel, das die Spielfläche mitsamt den Akteuren um neunzig Grad spiegelt und somit aus der Vogelperspektive zeigt, und die Kostüme, die jedem Sänger und jeder Sängerin einen ganz eigenen Charakter verleihen, sind ihr zu danken. Auch vom Komponisten wurde jedem der acht Solosänger ein Instrument zugeordnet, so etwa dem Amerikaner Harris das Saxophon oder Okishi die E-Gitarre, die ähnlich klingt wie die japanische Shamisen. Ob die Zuhörer am Uraufführungsabend solches bewusst wahrgenommen haben, ist fraglich, denn die Musik Fabián Panisellos ist sehr komplex, bindet neben den neunzehn Instrumenten des Amadeus Ensembles Wien auch Elektronik und Live-Elektronik mit ein. Spürbar für alle war aber sich die große Emotionalität dieser Klänge und ihre Verdichtungen und Entspannungen. Acht Solisten und der fabelhafte Wiener Kammerchor leisten ohne Ausnahme Großartiges, sind doch die Gesangspartien von außerordentlichem Anspruch. Extrem hohe Lagen, vor allem für Okishi, gesungen von Anna Davidson, teils unvermittelter Wechsel von Sprache und Gesang, Atonalität und dann feierlicher Hymnus – mehr Anforderungen an sängerische Flexibilität kann man sich kaum vorstellen. Walter Kobéra oblag die Gesamtleitung dieses eindrucksvollen Stücks, das heute, 19.August, noch einmal in Bregenz gespielt wird. Im November ist dann dieselbe Produktion in Wien zu erleben.

Foto: Anja Koehler

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