Die Organisation der Reihe Dornbirn Klassik wird arg gebeutelt von der Pandemie. Das Konzert von Freitagabend war aber lange geplant. Zunächst aber bedauerte man die Absage der prominenten Sopranistin Anna Prohaska, jedoch wurde sie durch die Münchnerin Nikola Hillebrand vollwertig ersetzt.
Die Besetzung des Konzertes wurde durch die Absage Anna Prohaskas zum Triumph zweier junger bayersicher Solistinnen, getragen von fabelhaften Kammerorchester Basel (obwohl, die aus einer österreichisch-britischen Familie stammende Anna Prohaska gibt als ihren Geburtsort Neu-Ulm in Bayern an). Zudem beeindruckt hat die Programmwahl. Sie verband Werke Mozarts mit solchen von Felix Mendelssohn Bartholdy, die beide Wunderkinder waren und früh verstarben. Dass dies lange nicht die einzigen Verbindungen zwischen den beiden sind, zeigte das erste Werk des Abends, eine frühe Streichersymphonie des Letztgenannten. Denn diese war in hohem Maße an Johann Sebastian Bach orientiert, der ja auch Mozarts Leitstern war. Der Salzburger kam mit seinem Violinkonzert Nr.5, und damit erlebte das Publikum die faszinierende dreiunddreißigjährige Geigerin Veronika Eberle, geboren in Donauwörth. Ihrer kostbaren Stradivari entlockte sie bezaubernd silbrige Töne, und sie zeigte zusammen mit den Baslern, die Baptiste Lopez vom Konzertmeisterpult aus leitete, beeindruckende Stilsicherheit betreffend Tempi und Phrasierung. Ereignishaft gelang der Schlusssatz mit seinen Wechseln zwischen einem höfischen Menuett und orientalischen Klängen. Veronika Eberle begleitete auch ihre Landsmännin Nikola Hillebrand bei den beiden Konzertarien, die die Pause einrahmten. Es waren Mozarts Konzertarie mit Rezitativ „Non temer, amato bene“ sowie Mendelssohns selten zu hörende Szene „Infelice“, die dieser als Fünfundzwanzigjähriger für ein Konzert in London schrieb. Die Sopranistin Nikola Hillebrand besticht zu allererst durch ihre blendende Erscheinung bei gleichzeitiger sympathischer Natürlichkeit. Letztere bestimmt auch ihren Gesang: keinerlei Mätzchen oder Theatralik, dafür ein Höchstmaß an Beseeltheit und Ausdruck in ihrer wohlklingenden Stimme. Das ist umso spannender, da die Sängerin auf der Opernbühne das virtuose Koloraturfach vertritt, hier aber beeindruckende lyrische Qualitäten zeigte. Abgerundet wurde der wunderbare Konzertabend von der ebenfalls selten zu hörenden Ersten Symphonie Mendelssohns, die er mit fünfzehn Jahren schrieb. Wie neulich schon bei seinem Auftritt in Vaduz bemerkt, neigt das Kammerorchester Basel unter Baptiste Lopez zu eher sportlichen Tempi, die zuweilen, etwa im Scherzo der Symphonie, zu Flüchtigkeiten führt. Insgesamt ist aber die Interpretationshaltung dieses Ensembles stilgerecht durch ihren Spannungsreichtum.
Dem Niveau des Konzertes entsprach in keinster Weise das des Programmheftes. Ich weiß, ich weiß: wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen. Ich schreibe selbst, nicht zuletzt Programmhefte, und auch mir passieren Ungereimtheiten. Doch hier haben sich die haarsträubenden Fehler nur so gehäuft. Es ging los mit der peinlichen Verwechslung der vierten Streichersinfonie Mendelssohns mit der Vierten, der „Italienischen Symphonie“ des Komponisten einschließlich der Satzbezeichnungen. Dass diese strahlende Symphonie nicht in c-Moll, sondern in A-Dur steht, müsste eigentlich jeder und jede Musikinteressierte, geschweige eine Musikwissenschafterin, wissen.
Die Beschreibung von Mozarts Violinkonzert war, finde ich, in Ordnung, aber bei den Konzertarien erschien zweimal derselbe Titel als Überschrift. Und die komplexe Entstehungsgeschichte der Mozart-Arie war ungenau und unrichtig dargestellt. Der Text „entnahm“ Mozart nicht seiner Oper „Idomeneo“, sondern die Arie hat er mit neuem Text für die Wiener Aufführung der Oper nachkomponiert. Die Uraufführung von „Idomeneo“ erfolgte bekanntlich in München (sic!). Sie ist dort allerdings für Tenor gesetzt, mit konzertierender Violine. Es gibt auch eine Fassung für Sopran aus Mozarts Hand, jedoch nicht mit obligater Violine, sondern mit Klavier. Mozart schrieb sie für die ihm sehr ans Herz gewachsene Sängerin Nancy Storace, seine erste „Susanna“ in der Oper „Le nozze di Figaro“. Die Fassung für Violine und Sopran, die hier in Dornbirn erklang, ist somit eine Mischung.
Vermutlich hat Robert Schneider in seiner Konzerteinführung zumindest teilweise diese Irrtümer bereinigen können. Ich habe sein Referat nicht gehört.
(Foto Hillebrand: Machreich Artists, eine Foto von Eberle folgt)
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