Ein Traum in Weiß – experimentell
Endlich konnte man Alexander Moosbruggers erste Oper bei den Bregenzer Festspielen erleben. Nach mehreren „Einblicken“ und nach der Pandemie-bedingten Verschiebung vom letzten Jahr auf das heurige kam am Donnerstag, dem 19. August die Oper „Wind“ in einer Bühnenskulptur von Flaka Haliti zur Uraufführung.
Die Farbe weiß ist für Opern-Inszenierungen offenbar im Trend. Nach dem Salzburger „Don Giovanni“ in der Inszenierung von Romeo Castellucci zeigt sich nun auch die Uraufführung der Oper „Wind“ von Alexander Moosbrugger ganz in weiß. Und hier wie dort kommt die Bühnengestaltung von einem Künstler beziehungsweise einer Künstlerin, welche(r ) sonst außerhalb der Musik- und Theaterwelt erfolgreich ist. In Bregenz ist es Flaka Haliti, die den weißen Bühnenraum in die Bregenzer Werkstattbühne hineingebaut hat. Auf beiden Seiten amphitheatralisch ansteigende Stufenreihen, auf denen auch das Publikum sitzt, werden begrenzt von hohen Wänden, die wie eine Säulenreihe gestaltet sind. Vielleicht den Tempel andeutend, in dem sich eine wesentliche Szene der Oper ereignet, vielleicht auch anspielend auf den Autor der literarischen Vorlage der Oper Francesco Colonna – Colonna bedeutet im Italienischen Säule. „Hypnerotomachia Poliphili“ nennt sich sein Buch von 1499, das den träumenden Poliphilo auf dem Weg zu seiner Geliebten Polia durch mystische, zum Teil auch verstörende Welten wandern und schließlich die erotische Erfüllung finden lässt. Neben einem hochphilosophischen und zuweilen auch durchaus die gewissen Dinge beim Namen nennenden Text finden sich darin 172 Holzschnitte, und 172 Orgelpfeifen sind in diesem Bühnenbild verteilt, sodass von jedem Platz aus das Hörerlebnis ein anderes ist – Wendelin Eberle von Rieger Orgelbau Schwarzach hat hier etwas ganz Besonderes geschaffen. Den Komponisten Moosbrugger interessieren dabei vor allem die feineren Klangereignisse. So steht ganz am Beginn der Oper ein Luftgeräusch, das jedem Orgelton vorangeht und eben wie „Wind“ klingt. Zudem sind Schichtungen von Obertönen zu vernehmen, die vor allem mittels der pythagoräischen Stimmung entstehen, in der sich Moosbrugger gern bewegt. Solches wird kaum jemand im Publikum aktiv wahrnehmen, aber es schafft eine ganz besondere Klangwelt, die einem tatsächlich verwandeln und verzaubern kann. Diese Klänge kommen nicht nur von der Orgel, sondern auch von den vier Streichern des renommierten Quatuor Diotima, von den durchwegs hervorragenden Sängern Hanna Herfurtner (Polia), Hagen Matzeit (Poliphilo), ihren sprechenden Alter Egos, den Schauspielern Anna Clementi und Jürgen Sarkiss sowie den weiteren Sängern Juliane Dennert, Barbara Ostertag und Luciano Lodi. In der Klangregie des SWR Experimentalstudios und unter dem Dirigat von Michael Wendeberg entsteht eine faszinierende Welt aus Sprache, Gesang und instrumentalen Klängen, die allerdings einen Wunsch offenließ. Denn gerne hätte man wenigstens einmal das volle Werk der doch sehr großen Orgel gehört. Bleibt zu erwähnen, dass Leonora Scheib eine sehr schlüssige szenische Abfolge organsiert hat und dass bei aller Rätselhaftigkeit und Tiefsinnigkeit des Ganzen zuweilen auch ein Schmunzeln möglich ist, etwa wenn Jürgen Sarkiss auf selbstverständlich weißen Rollschuhen daherkommt oder Blumenkohlköpfe – ein weißes Gemüse – feierlich durch den Raum getragen werden. Heute, Samstag, nochmals um 20h zu erleben.
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