Brauchen wir ein weiteres Orchester im Land? Diese Frage ist ob der großen Dichte des Angebots an klassischer Musik in Vorarlberg berechtigt. Nach dem Anhören der Kammerphilharmonie Vorarlberg, kurz und mit ihrem Gründungsjahr KV 2018 genannt, kann diese Frage mit einem eindeutigen, mehr noch, jubelnden Ja beantwortet werden. Derart gut und authentisch gespielte Wiener Klassik, vor allem hat man seit Jahren im Land nicht mehr gehört. Ich wage es zu behaupten, nicht mehr, seit Nikolaus Harnoncourt mit dem Concertgebouw Orchester Amsterdam zu Beginn der 1990er Jahre in Feldkirch sämtliche Symphonien Schuberts spielte.
Seit Jänner 2018 probt die Kammerphilharmonie Vorarlberg, und nun ist sie an die Öffentlichkeit getreten. Stefan Susana hat sich mit diesem Ensemble aus jungen Vorarlberger Profimusikern einen Traum erfüllt. Von Haus aus Cellist, hat er immer wieder als Dirigent Aufsehen erregt, bei Schweizer und innerösterreichischen Orchestern, aber auch in Vorarlberg als Einspringer beim SOV oder mit der damals eigens zusammengestellten Camerata Angelica bei der Schubertiade Schwarzenberg.
Für Stefan Susana besteht Musik nicht nur aus den Noten, er will „jene mystischen Verbindungen“ erlebbar machen, „die Menschen in ihren Bann ziehen, bewegen und tief berühren können“. Susana, der auch als Mentalcoach arbeitet, sagt das nicht einfach so, er hat das Wissen und die Suggestionskraft, solches zu erreichen. Das Ergebnis überzeugt und beglückt. Bei Mozarts Kassation KV 63 und dem Divertimento KV 205 und bei Schuberts Sinfonie Nr.1 ist jede kleinste Note in ihrem Sinngehalt erfasst und es werden Energieverläufe nachvollziehbar verfolgt. Nichts ist beiläufig, alles folgt einer höheren Ordnung – die lange Probenzeit war nicht umsonst. Konzertmeisterin ist Sandra Marttunen aus Kißlegg. Sie ist unter anderem Mitglied der Bamberger Symphoniker, führt die Streicher mit leichter Hand und spielt wunderbare Soli. Das Programm wurde an zwei Terminen, Samstag und Sonntag gegeben, und beide Male war die Kirche zu Weiler voll besetzt. Und das nicht nur vom Fachpublikum, sondern vom Kleinkind bis zur Seniorin – auch das dürfte im Sinne von Stefan Susana sein.
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