Verehrungswürdige Sängerin mit eingeschränkten Möglichkeiten
In kein Schema pressen lässt sich Anne Sofie von Otter. So auch nicht bei ihrem Schubertiaderezital in Schwarzenberg mit Kristian Bezuidenhout
Zweifellos ist die schwedische Mezzosopranistin Anne Sofie von Otter eine der größten Sängerinnen in den Jahrzehnten um 2000 gewesen. Legendär war ihr Oktavian in Richard Strauss‘ „Rosenkavalier“ in Wien, und auch bei der Schubertiade erinnert man sich an große Abende mit ihr. Doch sie bediente nicht nur das konventionelle Repertoire. So nahm sie ein Album mit Elvis Costello auf, zudem schwedische Volkslieder und Lieder aus dem KZ Theresienstadt, ein Programm das sie auch in Schwarzenberg präsentierte. Auf der Opernbühne wagte und wagt sie viel, sang 2013 Händel in einer völlig durchgeknallten Inszenierung Christoph Marthalers in Zürich oder verkörperte 2008 selbstentäußernd die „Türkenbab“ in Strawinskis „The Rake’s Progress“ im Theater an der Wien in einer Inszenierung von Martin Kušej. Besonders verbunden ist sie dem Theater Basel, wo sie 2021/22 in einer szenischen Version von Schuberts „Winterreise“, inszeniert von Christoph Loy zu erleben war.
Die „Winterreise“ war auch ursprünglich angekündigt für ihren Auftritt bei der Schubertiade Schwarzenberg, doch schließlich hat sich die Sängerin für eine Auswahl von Liedern aus Schuberts „Schwanengesang“ entschieden, durchsetzt mit Klavierstücken, die Kristian Bezuidenhout sehr schön am Hammerklavier darbot. Es waren Schuberts Impromptu in c-Moll D 899/1, sein Allegretto aus der Sonate a-Moll D 537 und sein Andante aus der Sonate in A-Dur D 664. Der Einsatz des Hammerklaviers bei diesem Konzert ermöglichte einerseits einen authentischen Klang bei diesen Solostücken, andererseits kommt der weiche Klang, die um einen Halbton tiefere Stimmung sowie auch der subtilere Klang einer älteren Stimmung mit kaum hörbar anderen Intervallverhältnissen der Sängerin sehr entgegen. Anne Sofie von Otter ist bereits 1955 geboren, und da liegt es auch für ihren technisch perfekt geführten Mezzosopran in der Natur der Dinge, dass die Stimme nicht mehr alle jugendliche Strahlkraft besitzt. Besonders die Leichtigkeit im Piano und im Parlando fällt der Sängerin schwer, dazu hält ihr Atem nicht immer die Phrasen durch. Wettgemacht hat die Sängerin das mit einer großen Reife des Ausdrucks, und da gelangen ihr besonders die dramatischen Ausbrüche sehr bewegend, etwa in „Kriegers Ahnung“ oder „Der Doppelgänger“. Auch ihre Wortdeutlichkeit ist hervorzuheben. Nicht nötig wären allerdings ihre ständigen, nicht immer passenden Armbewegungen und ihre rhythmischen Handbewegungen bei den Zwischenspielen. Das beeinträchtigte ihre sonst sehr beeindruckende Ausstrahlung. Kristian Bezuidenhout unterstützte mit seinem sensiblen Spiel die Sängerin auf das Allerbeste. Das Publikum feierte die beiden Künstler mit Begeisterung, wurde aber mit nur einer Zugabe bedankt. Diese aber war berührend. Es war das Melodram „Abschied von der Erde“.
Fotos: beide von der Webseite der Sängerin
1) Cool von Mats Bäcker
2) im schwedischen Mittsommerlook von Ewa Marie Lundquist
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