Bei der Juli-Schubertiade im Markus-Sittikus-Saal in Hohenems erlebte man zwischen Donnertag, dem 13. Juli, und Sonntag, dem, 16.Juli Kammermusik auf höchstem Niveau, jedoch unterschiedlicher Interpretationshaltung.
Die Schubertiade-Konzerte sind Jahr für Jahr geradezu verlässlich ähnlich programmiert, was offenbar gerade in Zeiten wie diesen viele Menschen anspricht, denn die Säle sind voll. Die Musikfreunde, die gleich mehrere Konzerte nacheinander besuchen, und nicht wenige tun das, können sich dann mit Kennermiene in Interpretationsvergleichen ergehen. Sehr spannend war das bei den beiden ersten Konzerten der Juli-Reihe. Am Donnertag präsentierte sich eine neue Quartettformation, die sogleich für sich einnahm. Das Leonkoro Quartett, ausgebildet und gefördert durch die Besten der Zunft, erregte nicht nur die Aufmerksamkeit des Hohenemser Publikums durch seinen besonderen Namen (Leonkoro bedeutet auf Esperanto Löwenherz und spielt auf ein Buch von Astrid Lindgren an) und seine teils androgynen Habitus, sondern vor allem seine erfrischende Musizierweise bei Schuberts Jugendquartett in g-Moll D 173. Phrasiert nach der historischen Aufführungspraxis, legte es doch auch einen
wunderbaren Umgang mit dynamischen Entwicklungen an den Tag, und, entsprechend der Partitur, geizte der erste Geiger Jonathan Schwarz nicht mit Virtuosität. Das Leonkoro Qaurtett, gegründet 2019, teilte den Abend mit dem bereits bestens etablierten Quatuor Modigliani. Gereift, voll im Klang und ausgewogen spielte dieses Bedřich Smetanas berühmtes Quartett „Aus meinem Leben“. Und alle acht Musikerinnen und Musiker fanden sich nach der Pause gemeinsam auf dem Podium wieder für Mendelssohns zauberhaftes Streichoktett. Insgesamt ein beglückendes Konzert, dem am Freitag ein Duoabend mit Daniel Müller-Schott am Violoncello und Kit Armstrong am Klavier folgte– das US-Amerikanische Universalgenie bestreitet innerhalb der Hohenemser Reihe insgesamt drei Konzerte. Beide Musiker verfügen ohne jeglichen Zweifel über höchste musikalische Perfektion, boten aber eine Interpretation, die diskussionswürdig war. Das Legatissimo-Spiel des Cellisten war bei der Sonate in e-Moll von Brahms sicher am Platze, aber bei Schuberts „Arpeggione-Sonate“ wirkte es, zusammen mit weitgehenden Temposchwankungen, manieriert. Das war Schubert durch eine spätromantische Brille, was gerade noch verständlich ist, wenn man weiß, dass Daniel-Müller-Schott 1992 den Tschaikowski-Wettbewerb in Moskau gewonnen hat – also mit einem Wort: stilistisch überholt. Es ist auch die Frage, ob die Triosonate BWV 1027 von Johann Sebastian Bach in dieser Besetzung wirklich ideal war.
Gerne hätte man nur dem super gespielten Klavier gelauscht, wenngleich sich Müller-Schott hier um eine schlanke Tongebung bemühte. Ganz in ihrem Element waren Kit Armstrong und Daniel Müller-Schott mit der Cellosonate in c-Moll von Camille Saint-Saëns, überzeugend interpretiert mit großem Ton und virtuosem Gestus. Und was war wohl die Zugabe? Richtig: „Der Schwan“ aus dem „Carneval der Tiere“ vom selben Komponisten.
Foto Leonkoro Nikolaj Lund
Foto Armstrong: Jean-Francois Mosseau
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