Ohne Ian Bostridge gibt es keine Schubertiade-Saison, und das ist gut so. Denn der englische Tenor ist gerade durch seine sehr persönliche Art ganz nah dran am Geist Schuberts. Nie brav und glatt, aber abgründig und immer wieder auch verstörend interpretiert er seine Lieder. Er hebt sich damit von vielen seiner Sängerkollegen ab.
Mit einem reinen Schubertprogramm beglückte Ian Bostridge seine Fans, die oft von weit her anreisen. Der Wiener Komponist liegt dem Londoner offenbar besonders am Herzen. Häufig singt er dessen Zyklus „Winterreise“, ja, er hat sogar ein Buch darüber geschrieben, das auch auf Deutsch vorliegt und unbedingt lesenswert ist, selbst wenn man dem Liedgesang nicht ganz nah steht. Und er singt auch gerne die Version der „Winterreise“ des lebenden Komponisten Hans Zender, doch – bedauernswerterweise – wohl nie bei der Schubertiade. Doch auch wenn Ian Bostridge Lieder aus der Vergangenheit singt, so tut er das auf eine ganz unkonventionelle Art, mit so ungemein intensivem, leidenschaftlichem Einsatz und einer derartigen Unbedingtheit, dass man zuweilen fast Angst um ihn bekommen kann. „Wenn Lieder so gesungen würden, würde sich auch ein junges Publikum dafür begeistern können“, meinte einmal ein Komponist und Pianist nach einem Bostridge-Rezital. Es ist daher klar, dass Bostridge, der übrigens in Oxford in Geschichte promoviert hat, Lieder wählt, die nicht nur seine so unverwechselbar timbrierte Tenorstimme zur Geltung bringen, sondern die inhaltlich spannend sind: der wunderbare „Ganymed“ etwa oder die erschütternden „Harfner-Lieder“, beides von Goethe, oder nach der Pause die abgründigen Vertonungen von Texten des Schubert-Freundes Mayrhofer. Beim wortreichen Lied „Einsamkeit“ hätte man sich allerdings eine klarere Diktion gewünscht, aber beim abschließenden Lied „Abschied“ haben viele eine Träne zerdrückt, und es gab eine ungewöhnlich lange Stille der Ergriffenheit, ehe der Beifall einsetzte. Absolut kongenial agierte Igor Levit am Flügel. Begleiter im besten Sinne, da er auf den Sänger auf das sensibelste einging, und ein echter Mitgestalter, da von ihm viele Impulse kamen. Igor Levit steht noch im Zentrum mehrerer Kammerkonzerte bis Sonntag.
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