Anna Mika: Herr Netzer, was ist Mozarts Singspiel „Die Zauberflöte“? Volkstheater, Märchen, Mysterienspiel? Oder alles zusammen?
Alles zusammen trifft es wirklich, weil je nach Passage, je nach Lesart, sich alle diese Elemente drinnen befinden. Man muss sich diese fahrenden Truppen wie die von Schickaneder vorstellen, das eher volksnahe Kärntnertortheater, das alles findet man ja dann wieder bei Ferdinand Raimund, diese Mischung aus Sprechtheater und Oper. Zeitnah zur „Zauberflöte“ hat Mozart „La clemenza di Tito“ und das „Requiem“ komponiert, aber soll man tatsächlich, daraus ableitend, der „Zauberflöte“ einen Seriositätstouch geben?
„Die Zauberflöte“ ist großer Mozart, aber gerade deshalb, weil er es in der Volkstheatertradition geschrieben hat, und es wäre nicht Mozart, wenn er das nicht auf idealste Art macht. Er lässt seinen Witz spielen, und es gehen ja kaum zwei Takte vorbei, wo er nicht irgendeinen Glanzpunkt, irgendwelche Charaktere setzt. Das ist ja das Geniale, dass man nicht sofort hört, wie genial es ist, sondern dass sich diese Genialität dem Charakter des Volksstückes unterordnet, ohne die Meisterschaft dabei zu verlieren. Mozrats Musik geht bei der „Zauberflöte“ nicht unter das Niveau der früheren Opern: „Don Giovanni“, „Figaro“ und alle diese.
„Die Zauberflöte“ ist schwer zu besetzen. Es sind viele Darsteller, und die Rollen sind gesanglich sehr anspruchsvoll. Wie kann das eine semiprofessionelle und technisch bescheiden ausgestattet Institution wie das mtvo leisten?
Das ist dem Jubiläum geschuldet, schließlich feiern wir heuer 75 Jahre Musiktheater Vorarlberg. „Die Zauberflöte“ ist die Lieblingsoper von Alfred Mayer, dem Gründer des Musiktheater Vorarlberg, dem wir uns sehr verbunden fühlten, und ein Dankschön an ihn. Gottseidank haben wir die finanziellen Mittel gönnerhaft erhalten.
Wir haben in unserer Produktion lauter Rollendebütanten, allenfalls hat der eine oder die andere die Rolle konzertant gesungen. Das hält die Produktion frisch.
Sie selbst sind heuer fünfzehn Jahre beim mtvo…
Ja, unglaublich!
Bei allem Respekt vor Alfred Mayer, mit Ihnen kam ein spürbarer Qualitätsschub.
Das war auch das Ziel, aber nicht bei allen Mitgliedern des Musiktheaters hat das für Zustimmung gesorgt, weil ich etwa mehr geprobt habe, mehr Disziplin gefordert habe. Ich habe damals gesagt: wenn wir nicht Qualität zeigen, wird es uns bald nicht mehr geben. Und Jede und Jeder soll das Beste geben, auch wenn schlussendlich nicht alles Hundertprozentig ist.
Ein anderes Thema: In der „Zauberflöte gibt es eine Reihe Frauenfeindliche Aussagen, und die Rolle des Monostatos , ein Farbiger, ist alles andere als sympathisch. Wie geht man in Ihrer Produktion damit um?
Wenn man „Die Zauberflöte“ macht, muss man sie im historischen Kontext sehen. Mozart, der den so gesellschaftskritischeren „Figaro“ schrieb, der privat sozialkritisch denkt und gewohnt ist, seine Meinung auch offen zu sagen, und der so viel im Ausland war, kann den Monostatos nicht verächtlich gesehen haben. Ich möchte empfehlen, den Text genauer zu lesen – Mozart hält dem Publikum den Spiegel vor. Denn man muss schauen, wer das sagt. Und Monostatos selber stellt ja seine Stellung in Frage, wenn er in seiner Arie beklagt, dass er nicht darf, was „die Weißen“ dürfen.“ Und vor allem: wenn ich den Monostatos zu einem Weißen mache, dann sage ich damit, dass Weiße besser sind als Schwarze. Da bin ich auch mit Maria Kwaschik, der Regisseurin, d’accord. Aber wir streichen dem Sänger des Monostatos nicht Kohle ins Gesicht. Er hat seine weiße Haut, aber ist schwarz angezogen.
Was die Frauen betrifft, so stehen sie viel zu sehr dramaturgisch im Zentrum, als dass sie schwach gesehen werden müssen. Bei den Dialogen haben wir allerdings in beiden Fällen leichte Korrekturen vorgenommen.
Sie sprechen die Inszenierung an. Geben Sie uns schon einen kleinen Vorgeschmack?
Die Inszenierung ist nahe am Libretto, so wie wir bei der Musik nahe am Urtext bleiben. Die Bildsprache ist authentisch, aber neu. Wir zeigen zum Beispiel die Entführung der Tochter klar, die ja nur angedeutet im Text geschildert wird. Und die Königin der Nacht ist bei uns nicht eine Quartenschleuder, sondern eine Mutter. Sie ist aber auch eine Königin, die Contenance gelernt hat. Eine verletzliche Frau, die aber funktionieren muss, eine dramaturgisch wichtige Figur.
Und last but not least: die Musik?
Es gibt einen Puls, der durch die ganze Oper geht, was von den alten Kollegen wie etwa Karl Böhm vernachlässigt wurde. Wir haben die klassischen Pauken mit dem härteren Schlag und eine echte Celesta. Markus Kessler, unser langjähriger Konzertmeister, hat sich bemüht um originale Stricharten und besondere Klangfarben. Das gibt einen durchhörbaren Klang, der auch den Sängern sehr hilft.
Vielen Dank für das Gesrpäch und totitoitoi für die Aufführungen!
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