In diesem Jahr beginnt die Schubertiade in Hohenems bereits im März. Ein Schwerpunkt liegt in diesem Frühling auf der Kammermusik von Johannes Brahms, Konzerte, die ich nicht besucht habe. Wohl aber das Gastspiel von András Schiff und seines Orchesters Cappella Andrea Barca mit den sechs Klavierkonzerten von Johann Sebastian Bach. Sir András hat eine Neigung für enzyklopädische Programme, so erinnere ich mich an eine Matinee, als die Schubertiade noch in Feldkirch war, wo er wesentliche Stücke des Klavierwerks von Schumann zwei Stunden lang ohne Pause und Beifall darbot: anstrengend, aber unvergessen. Und frisch in Erinnerung ist seine Präsentation von sämtlichen Werken für Cello und Klavier an zwei Abenden mit Miklós Perényi vor wenigen Jahren in Schwarzenberg, oder daselbst eine Aufführung sämtlicher Symphonien Schuberts durch Schiffs Cappella Andrea Barca. Mit der entzückenden Übersetzung des Namens seines Gründers und Leiters ins Italienische weist das Orchester auf seinen Stammsitz hin: dem architektonisch unvergleichlichen Teatro Olimpico in Vicenza. In der Cappella Andrea Barca sitzen hervorragende Musiker. Konzert meiste ist Erich Höbarth, der dieselbe Position in Harnoncourts Concentus Musicus Wien innehat, weiters ebenfalls vom Concentus an der Bratsche Anita Mitterer, und unter den GeigerInnen findet man die Feldkircherin Regina Florey.
Eigentlich hat Bach die Klavierkonzerte, die am Freitagabend erklangen, für Cembalo geschrieben, und zudem sind sie meist Umarbeitungen früherer Werke für andere Instrumente. Doch Sir András Schiff, der Grandseigneur unter den Pianisten, schätzt diese Konzerte sehr hoch. Und der Vierundsechzigjährige spielt sie mit dem auf ihn eingeschworenen Orchester mit einem Elan und einer Frische, die Ihresgleichen sucht. Er empfindet Swing oder Tanzrhythmen, er schält Motive heraus, die auf Höhepunkte zutreiben und schafft ruhige Klangflächen: selten wird der große Bach derart meisterhaft zum Leben erweckt wie unter Sir András‘ Händen, die den Bösendorfer zum Klingen bringen und zudem dirigieren. Die Spannung hält bis zum letzten Konzert, dem kostbaren und zukunftsweisenden in d-Moll, von den Musikern mit einer unglaublichen Tiefgründigkeit interpretiert. Dabei dehnte ein Zwischenfall den Abend in die Länge, denn ein Musiker erkrankte just in der Pause an einer akuten Magengeschichte. Und bis man wusste, ob man weitermachen konnte, spielte Sir András noch das Italienische Konzert solo – von Bach bekommt man nie genug.
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