Mozarts persönlichste Oper
Mozarts Idomeneo ist eng mit Zürich verbunden. Denn 1980 haben Jean Pierre Ponnelle und Nikolaus Harnoncourt dort diese Oper von Mozart aus dem Dornröschenschlaf erweckt und sie in einer fulminanten Produktion ins Repertoire eingeführt. Nach einer ebenfalls sehr schönen Inszenierung in den 1990er Jahren durch Klaus Michael Grüber, wo der damals noch wenig bekannte Jonas Kaufmann die Titelpartie erschütternd verkörperte, brachte Nikolaus Harnoncourt den Idomeneo erneut nach Zürich, diesmal in seiner eigenen Regie (!), und beendete damit auch seine eigene langjährige Tätigkeit an diesem Opernhaus. Die Latte lag also hoch für eine Neuproduktion dieser Oper, dessen war sich das Team um Intendant Andreas Homoki bewusst. Als Dirigenten hat man daher einen der wohl kompetentesten Vertreter der historischen Aufführungspraxis verpflichtet: Giovanni Antonini, den Mitbegründeter des phänomenalen Barockensembles Il giardino armonico. Mit dem Originalklangorchester des Opernhauses La Scintilla gibt er dieser wohl komplexesten Partitur Mozarts große Dramatik, reiche Farben und im Verlaufe des Abends mehr und mehr beseelte Töne, bis hin zur berührenden Opferszene. Dieser Linie folgen auf die Sängerinnen und Sänger, die allesamt keine ausgewiesenen Barockspezialisten sind, was aber ihrer großartigen Leistung ganz und gar keinen Abbruch tut. Große Fragen wirft die Regie der Niederländerin Jetske Mijnssen auf. Die Handlung ist ja überaus dramatisch. Der schiffbrüchige König Idomeneo schwört dem Gott Poseidon, im Falle seiner Rettung das erste Wesen, das ihm in seiner Heimat begegnet, zu opfern. Es ist sein Sohn Idamante. Idomeneo, durch den trojanischen Krieg gefühlskalt geworden, zeigt sich seinem Sohn gegenüber schroff, was diesen unglücklich stimmt. Als es schließlich zur Opferung kommen muss, wirft sich Ilia, die Geliebte Idamantes, dazwischen und bietet sich selbst als Opfer an. Da erbarmt sich Poseidon, entbindet Idomeneo vom Schwur und erklärt Idamante und Ilia zum neuen Königspaar in Kreta. Für die Regisseurin kommt diese Figurenkonstellation, zu der noch die mykenische Prinzessin Elektra gehört, einer Familienaufstellung gleich. Die Handlung spielt sich in den Seelen der Personen ab, nicht im äußeren, den Gott Poseidon gibt es nicht. Die Sängerdarsteller haben allesamt eine starke Bühnenpräsenz, sodass ihre inneren Kämpfe sehr nachvollziehbar fürs Publikum werden und die Botschaft des Stückes spürbar wird.
Dennoch: es wird schon von Beginn an so viel mit einer Pistole hantiert und fließt in so vielen Szenen Blut, sodass man dessen bereits überdrüssig ist, als tatsächlich ein blutiger Tod ins Zentrum rückt, nämlich in der Opferszene. Endlich seien die Sängerdarsteller genannt: Joseph Kaiser als so herrischer wie leidender Idomeneo, dann Anna Stéphany, die den jungen Mann Idamante so glaubwürdig wie kaum jemand verkörpert, weiters die sanfte und schön singende Hanna-Elisabeth Müller als Ilia, Guanqun Yu als Elektra, die weniger Furie ist als Leidende, und Airam Hernandez als treu unterstützender Arbace. Der Chor bewältigt seine große Aufgabe sehr gut und wird beim Schlussapplaus, wie Sänger, Dirigent und Orchester, mit Jubel bedacht, während der Beifall für das Regieteam eher verhalten wirkte.
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