Um Oper zum Faszinosum werden zu lassen, braucht es vor allem gute Sänger. Das bewies Mozarts „Entführung“ bei Lech Classic.
Bevor gestern, Sonntag, das Lech Classic Festival mit einem Orchesterkonzert zu Ende ging, wurde das Publikum im Konzertsaal der „Lechwelten“ begeisterter Zeuge einer halbszenischen Aufführung von Mozarts Singspiel „Die Entführung aus dem Serail“. Die Besonderheit dieses Werkes stellte der Sprecher Joseph Lorenz in seinen Zwischentexten klar heraus. Es ist musikhistorisch das erste Werk deutscher Sprache, das inhaltlich und musikalisch das Niveau einer großen Oper hat – diese war ja damals vor allem italienisch gesungen. Übrigens ist Carl Maria von Webers „Freischütz“, der derzeit auf der Seebühne in Bregenz zu erleben ist, ein Folgewerk dieser Gattung. Hier wie dort tat man sich schwer mit den gesprochenen Dialogen. So verfasste Franz Wagner für Lech Zwischentexte, die durch die Handlung führten und begleitende Erklärungen gaben. Diese waren sicher hilfreich für ein mehrheitlich wenig opernaffines Publikum. Vor allem aber ersetzten sie die tragende Sprechrolle des Bassa Selim, in dessen Figur Joseph Lorenz einige Male schlüpfte. Somit lag der Ball bei der Musik, und diese beglückte auf der ganzen Linie. Schon bei er Ouvertüre zeigte Dirigent Tetsuro Ban mit dem Lech Festival Orchester, dass der tief eingedrungen ist in die Bedeutung dieses Werkes, das den heute noch aktuellen Gegensatz der islamischen und der westlichen Welt zeigen will, aber ihn gleichzeitig mit großem Feingefühl hinterfragt. Die klare Trennung zwischen den „türkischen Instrumenten“ und den europäischen war ihm wichtig, ebenso wie der die Sänger sensibel führte und ihnen Atempausen gönnte, aber sie auch bei den raschen Passagen energetisch durchtrug. So konnten diese sich voll entfalten und taten es auf ihre je eigene Art. Die beiden Hauptrollen waren von Sängern besetzt, die gleichsam schon zum Ensemble des Lech Festivals gehören. Pavel Kolgatin mit seinem kraftvollen, schmelzenden Tenor war ein würdiger Belmonte. Seine Braut Konstanze, stets traurig und im inneren Kampf mit ihren Gefühlen („selbst der Luft darf ich nicht sagen meiner Seele bittern Schmerz“) wurde überzeugend und koloratursicher von Jennifer O’Loughlin gegeben. Diese beiden Partien zählen zu den gesangstechnisch anspruchsvollsten der klassischen Oper, und es ist wunderbar, sie beim Lech Classic Festival so gut hören zu können. Auch das Buffopaar mauserte sich zu echten Publikumslieblingen.
Die Einspringerin Florina Ilie gab eine selbstbewusste und quirlige Blonde, und John Heuzenroeder war ihr sympathischer und spielfreudiger Freund Pedrillo. Die Figur des wilden und rachesüchtigen Osmin verkörperte Levente Páll, der sich aber schnell einschüchtern ließ, wenn ihm die „Engländerin“ Blonde die Leviten las. Überhaupt findet man in Mozarts Opern wunderbare Beispiele weiblicher Emanzipation. So erfreute das hervorragende Sängerensemble die Ohren wie auch die Augen, und zudem staunte man über die großflächigen Hintergrundprojektionen, die angelehnt waren an Ansichten des Topkapi-Palastes in Istanbul – zu schön jedoch, um wahr zu sein, nämlich computergeneriert. Das Publikum spendete Standing Ovations für diese Aufführung, die von ORF III aufgezeichnet wurde.
Bild Florina Ilie: Webseite der Künstlerin
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