Es ist keine der populären Opern Mozarts, aber unter Kennern gilt ihre Musik als unübertroffen schön. Die Premiere von „La clemenza di Tito“ am Freitag am Landestheater Vorarlberg bringt diese Musik auf das Vorzüglicheste zu Leuchten. Auch durch die Regie von Henry Arnold entstand eine spannende, zu recht gefeierte Produktion.
„La clemenza di Tito“, also „Die Milde des Titus“, ist eine Oper, bei der die Sängerinnen und Sänger im Mittelpunkt stehen. Besonders die Hosenrolle des Sesto/Sextus, Mezzosopran, und die Sopranrolle der Vitellia stellen höchste Ansprüche. In Bregenz werden sie großartig gegeben durch Annelie Sophie Müller und Narine Yeghiyan, und gleich auch ist Francesco Negrini zu nennen, der ihre drei zentralen Arien auf verschiedenen Instrumenten der Klarinettenfamilie mitgestaltet. Die Deutsche Annelie Sophie Müller lässt ihren Mezzo mit Wohllaut um Fülle strömen und macht vor allem ihre Arie im zweiten Akt dank ihrer flexiblen Phrasierung zum Ereignis. Die Armenierin Narine Yeghiyan zeigt auf berührende Weise die Verletztheit der Vitellia und beweist, dass auch Soprane eine profunde Tiefe haben können.
Auch die anderen Partien sind hervorragend besetzt. Der Titus des Amerikaners Christopher Sokolowski ist jung und sein Tenor hell und beweglich. Sophia Körber zeigt als Servilia beachtliche lyrische Qualitäten, und der Mezzo von Sarah Romberger als Annius ist so frisch wie diese Figur, die vermittelt und tröstet nach allen Seiten. Thomas Stimmel als Publius ist eine ausstrahlungsstarke Erscheinung, bleibt aber stimmlich etwas blass.
Sie alle zeigen in dieser Inszenierung von Henry Arnold eine junge, punkige Clique (Kostüme Gabriele Kortmann), die in diesem antiken Rom an der Macht ist. Noch weitere Besonderheiten der Regie gibt es, nämlich dass die Figuren des Sesto und der Vitellia durch Schauspieler gedoppelt werden (David Kopp und Zoe Hutmacher). Der Widerstreit ihrer inneren Stimmen wird damit gezeigt, wohl am berühendsten, wenn Vitellia ihren Verrat an Titus bereut und ihr intrigantes Ego quasi beerdigt. Diese Verdoppelung der Figuren prägt sich fast überdeutlich ein, während ein anderer Regieeinfall sich nicht leicht erschließt. Nämlich, dass der ganze zweite Akt ein „Gedankenspiel“ ist, dass also, entgegen dem Libretto, Titus tatsächlich von Sesto ermordet wurde, und dass man sich ausmalt, was wäre, wenn er überlebt hätte. Nämlich dass er seine Milde walten lässt und allen verzeiht.
In jeder Note schlüssig, vielmehr noch begeisternd stimmig ist das musikalische Konzept von Karsten Januschke, der das glänzend disponierte Symphonieorchester Vorarlberg und den Bregenzer Festspielchor leitet, der bestens einstudiert wurde von Benjamin Lack.
So eigenständig die Regie Henry Arnolds ist, sie hat eine zeitnahe Dopplung erfahren. In der Wiener Staatsoper hat bei der Premiere der Urfassung des „Fidelio“ von Beethoven am Samstagabend die Rolle der Leonore ebenfalls eine Schauspielerin zur Seite gestellt bekommen. In unseren unübersichtlich gewordenen Zeit ist halt alles schon da gewesen oder da.
Im Falle der Regie hat das nichts mit dem viel zitierten Blick über den Tellerrand zu tun, den hat Henry Arnold. Wohl aber sollten die namhaften Kulturschreiber des Ländles einen solchen wagen. „La clemenza di Tito“ wird gar nicht so selten aufgeführt, wie in der „Kulturzeitschrift“ behauptet wird. So hatte die Zürcher Oper in dem von mir überschauten Zeitraum sogar zwei Produktionen, die letzte mit Jonas Kaufmann in der Titelrolle. Auch in Sankt Gallen war diese schöne Oper schon im Spielplan. Und schließlich hat unsere aller musikalischer Abgott Kirill Petrenko „La clemenza di Tito“ im Februar 2014 in München dirigiert.
In Bregenz ist „La clemenza di Tito“ bis 21.Februar im Spielplan.
Fotos Anja Körber
Bild1: Servilia und Annio, Bild 2: Vitellia
4 Comments