Gewiss, aus der Zeit um die Wende vom 19. zum 20.Jahrhundert gibt es zahllose Kunstlieder, vielfach von weniger bekannten Komponistinnen und Komponisten. Die allermeisten davon haben ein gutes Niveau und werden heutzutage gerne von Sängerinnen und Sängern wiederentdeckt. Mit den Liedern des italienischen Komponisten Ottorino Respighi verhält es sich da doch etwas anders, denn sie waren wohl weniger geeignet, von semiprofessionellen Künstlerinnen und Künstlern in den damals so beliebten Salons dargeboten zu werden. Denn zu differenziert ist ihr Klavierpart, und der Gesangspart braucht durch seinen Parlandostil großes Einfühlungsvermögen und Sinn für Klangfarben und Ausdruck.
Der Tenor Ian Bostridge und die Pianistin Saskia Giorgini bringen diese Voraussetzungen mit, und das souverän, mit der allergrößten Selbstverständlichkeit. Duftig perlend spielt die Italienerin auf dem Flügel, immer auch dem Sinngehalt der Dichtungen nachspürend. Diese sind von verschiedensten Dichtern, unter anderen Ada Negri, Victor Hugo oder Gabriele d’Annunzio, und führen in die verschiedensten Bereiche menschlichen Lebens: sie erzählen von Naturstimmungen, von der Liebe oder haben religiöse Inhalte. Und es erstaunt sicher nicht nur mich, dass Respighi nicht nur italienische und französische Texte vertont hat, sondern auch schottische Volkslieder.
Ian Bostridge schafft mit seinem federleicht geführten Tenor über weite Strecken eine Art Traumstimmung, zauberhaft, alles mit allem verbindend und dennoch, aber nie dogmatisch, eingehend auf den Sinngehalt einzelner Worte, Er findet auch, kongenial begleitet von Saskia Giorgini, den schlichten Ausdruck für das Lied Noel ancien (etwa „Weihnachten wie früher“) und beide schlagen zum Ende, bei den schottischen Liedern, auch deftige Töne an.
Diese CD, erschienen beim Label Pentatone, ist geeignet, den Blick auf das umfangreiche Schaffen von Ottorino Respighi neu zu legen. Viele Menschen kennen seine wunderbar farbigen Orchesterwerke wie Pini di Roma oder die Antiche arie e danze. Doch wer weiß von seinen Opern, Kantaten oder dem Vioinkonzert? Da gäbe es viel zu entdecken!
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