Die Bregenzer Festspiele feierten ihr 75jähriges Bestehen mit dem festlichen Oratorium „Die Schöpfung“ von Joseph Haydn. Im Zentrum standen zwei Kollektive, die seit Anbeginn dabei waren: der Bregenzer Festspielchor und die Wiener Symphoniker. Der Bregenzer Festspielchor wurde verstärkt durch Sängerinnen und Sänger aus der Region, vor allem auch aus dem Kornmarktchor Bregenz, alle einstudiert von Benjamin Lack. Die Gesamtleitung des Konzertes hatte der neue Chefdirigent der Wiener Symphoniker inne: Andrés Orozco-Estrada. In dieser Rolle war es sein Antrittskonzert in Bregenz.
Die „tiefe Verwurzelung des Festivals rund um den Bodensee“ sollte dieses Konzert unter anderem zeigen, und schon die Aufstellung der 75 Chorsängerinnen und -sänger war beeindruckend. Sie umschlossen das Orchester halbkreisförmig und boten so ein Bild der Gemeinschaft. Haydns lichtdurchströmtes Oratorium „Die Schöpfung“ markierte einen positiven Kontrapunkt zu den düsteren Geschichten, die wir heuer bisher bei den Festspielen erlebt haben, auch wenn man in Zeiten der fortwährenden Naturzerstörung bei so manchen Textstellen dieses Werks traurig wird. Etwa wenn der Erzengel zu den Vögeln spricht: „Mehret Euch, singt auf jedem Aste“. Denn wie sollen die Vögel das, wenn die Menschen ihnen ihre Lebensräume und -möglichkeiten rauben?
Auf der erfreulichen Seite befand sich zum überwiegenden Teil die Qualität der Darbietung. Im Zentrum stand der Solobass Florian Bösch mit einer so souveränen wie lebendigen und intelligenten Gestaltung seines Parts. Auch die kurzfristig eingesprungene Sopransolistin Shira Patchornik begeisterte mit makellosem Gesang und ebensolcher deutscher Diktion – die junge Russin kennen wir ja als wunderbare Tatjana im Bregenzer „Eugen Onegin“ des Opernstudios 2019. Nicht ganz auf dieser vokalen Höhe bewegte sich der Tenor Patrik Reiter. Die Wiener Symphoniker mussten sich erst langsam in diesem Werk zurechtfinden, vermutlich aufgrund zu weniger Proben. Doch nach und nach, dank des lebhaften und präzisen Dirigats von Andrés Orozco-Estrada und der Führung der Konzertmeisterin Sophie Heinrich fanden sie zu einem klaren und stilsicheren Spiel und erfreuten mit den herrlichen Klangbildern, etwa der Schilderung der soeben erschaffenen Tiere. Und da hörte man auch so manches zauberhafte Solo, etwa der Flöte, Oboe oder der Klarinette. Aufhorchen ließ auch die fantasievolle Begleitung der Rezitative durch Ania Marchwinska am Hammerflügel. Das Publikum im vollen Saal dankte am Ende mit frenetischem Applaus.
(Foto: Bregenzer Festspiele Dietmar Mathis)
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