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Ernani in Sankt Gallen: Psychogramm eines Traumatisierten

„Ernani“ von Giuseppe Verdi, letzten Sommer Hausoper der Bregenzer Festspiele, ist nun am Theater Sankt Gallen zu erleben. Vor allem, was die Regie dieses schwierigen Werkes betrifft, war Sankt Gallen ungleich besser.

Kein einfaches Stück sei das, diese frühe Oper von Giuseppe Verdi, das versicherte man sowohl letzten Sommer in Bregenz als auch in Sankt Gallen. Während Regisseurin Lotte de Beer in Bregenz nahe an der Realität dieser brutalen, kriegerischen Handlung blieb, brachte in Sankt Gallen die Regisseurin Barbora Horakova und die Bühnengestalterin Eva-Maria Van Acker das Werk in eine Meta-Ebene, überhöhte das abstruse Libretto in ein Gesamtkunstwerk aus Musik, bildnerischen Eindrücken, Schauspiel und Dichtung. Letzteres vor allem, weil Peter Verheist einen sehr mystischen Text geschrieben hat, der, wunderbar gesprochen von Birgit Bücker, als die „Seele Ernanis“, die Handlung begleitet. Die Videos sind ebenso geheimnisvoll wie die Texte, sie stehen in kaum merklicher Verbindung zueinander und lassen mannigfache Assoziationen zu. Mag sein, dass man zu Beginn den toten Ernani sieht, mag sein, dass die weitere Handlung sich in einem Zwischenreich zwischen Leben und Tod abspielt, wo der traumatisierte Soldat Ernani seinen Feinden Don Carlos (Vincenzo Neri) und Don Ruy Gomez de Silva (Kristian Johannesson) begegnet, aber auch seiner großen Liebe Elvira. Diese ist in Sankt Gallen eine selbstbewusste Frau, die hier am Ende des Stücks nicht mit Ernani in den Tod geht. Gesungen wir sie von Sylvia D’Eramo, beachtlich virtuos und mit beeindruckend großem Tonumfang, man hätte sich aber mehr Differenzierung, vor allem im oberen Register, vorstellen können.

Ernani wird von Christopher Sokolowski gegeben, mit seinem kraftvollen Tenor und seinem selbstveräußernden, ja zuweilen akrobatischen Agieren eine Idealbesetzung. Christopher Sokolowski ist in Bregenz kein Unbekannter, er hat im Februar 2020 die Titelrolle in Mozarts „Titus“ gesungen. Die weiteren Rollen sind ohne Schwachstelle gut besetzt. Einen starken Eindruck machte der Chor, einstudiert von Franz Obermair. Der Sankt Galler Musikchef Modestas Pitrenas hatte die Gesamtleitung in seinen sicheren und kundigen Händen. Bei der Premiere am Samstag spendete das Publikum freundlich zustimmenden Applaus. „Ernani“ aus Sankt Gallen ist eine Koproduktion mit der Oper Antwerpen/Gent.

 

Fotos Edyta Dufaj

 

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