Die Ouvertüre stand am Schluss
Das Bregenzer Meisterkonzert am Montag bot eine zutiefst beeindruckende Interpretation von Beethovens Violinkonzert und eine ungewöhnliche Programmgestaltung, bei der die Ouvertüre zu „Egmont“ am Schluss stand.
Auch in Zeit des Internet scheint es unvermeidbar, dass klassische Werke innerhalb kurzer Zeit in nahen Orten mehrfach erklingen. Haydns Oratorium „Die Jahreszeiten“ derzeit, oder diesen Sommer Richard Strauss‘ „Viel letzte Lieder“ und eben aktuell Beethovens Violinkonzert. Vor gut einer Woche spielte es Alexander Janiczek mit dem SOV, und nun am Montag im Bregenzer Festspielhaus gastierte das Chamber Orchestra of Europe (COE) unter Robin Ticciati, mit denen es Lisa Batiashvili darbot. Ein fast unfairer Vergleich, trat doch hier unser heimisches Orchester auf eines der besten Orchester der Welt.
Das Violinkonzert von Ludwig van Beethoven stand am Beginn eines durchwegs einzigartigen Abends, und absolut einzigartig war diese Interpretation. Selten erlebt man eine solche Übereinstimmung von Solistin Orchester und Dirigent, wo mitreißende dynamische Entwicklungen und weitgehende Rubati auf derart stimmige Art möglich sind. Unüberbietbar ist die Reinheit und Zartheit von manchen Klängen, die Lisa Batiashvili ihrer Guarneri del Jesù entlockt, und zutiefst berührend der energetische Fluss, in dem Solistin, Dirigent und Orchester sich vom ersten bis zum letzten Ton bewegen ließen. Dass das COE eines der besten Orchester weltweit ist, wussten seine Mentoren Claudio Abbado und Nikolaus Harnoncourt, die seinen klaren Klang bei gleichzeitig höchstmöglicher Hingabe schätzten. Und Robin Ticciati, Engländer mit italienischen Wurzeln, hat die Professionalität und das Herzblut, um diesem exzellenten Klangkörper auf Augenhöhe zu begegnen. So gelang auch das Experiment, im zweiten Teil des Konzertes Stücke unterschiedlicher Epochen nahtlos ineinander fließen zu lassen. Umschlossen von vier Auszügen aus Beethovens Schauspielmusik zu Goethes „Egmont“ erklang Jörg Widmanns „Liebeslied“ für acht Instrumente von 2010, bei dem sich vor allem die Konzertmeisterin, der Pianist mit einigen besonderen Spieltechniken sowie das umfangreiche Schlagwerk profilieren konnten, weiters die „Liebesszene“ aus „Romeo et Juliette“, dessen weit ausholende Lyrik fast süßlich wirkte. Vor allem nach Beethovens Violinkonzert flippte das Publikum schier aus vor Begeisterung und wurde von Orchester und Lisa Batiashvili mit einem rumänischen Tanz bedankt, der einem aus dem Himmel Beethovens wieder auf die Erde holte.
Gerne will noch meine persönliche Geschichte mit dem Chamber Orchestra of Europe erzählen, das bei zwei wichtige Wegmarken meines Lebens dabei war. Zuerst einmal kam ich durch ein Konzert des COE überhaupt zum Schreiben. Vorarlberger Musikfreunde erinnern sich: im Jahr 1990 brachte Nikolaus Harnoncourt mit dem Coe die ersten acht Beethoven Symphonien bei der Schubertaide in Feldkirch zur Aufführung. Die „Neunte“ kam dann nicht mehr in Feldkirch, angeblich aus Kostengründen, sondern man konnte sie 1991 in Graz erleben. Ich fuhr zu dieser Aufführung und war überwältigt. „Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über“, wußte schon Martin Luther. Mir ist in diesem Falle die Feder übergegangen. Auf dem zehn Stunden Zugfahrt zwischen Graz und Bregenz kam mir der Gedanke, meine Eindrücke niederzuschrieben. Als ich fertig, dachte ich, das liest sich ja wie eine Kritik1 Ich hatte die Chuzpe, diesen Text an die zwei (damals existierenden) Vorarlberger Zeitungen zu schicken. Die Vorarlberger Nachrichten druckten der Text ab, ohne meinen Namen und ohne Honorar. Und der Redakteur der Neuen Vorarlberger Tageszeitung rief mich an und meinte: „Ihr Text gefällt mir. Ich habe grade meinen Musikkritiker rausgeschmissen, wollen Sie ab jetzt für uns schreiben? Der Redakteur war der legendäre Claudius Baumann, der leider einige Jahre später verstorben ist. Für die „Neue“ habe ich über 25 Jahre geschrieben.
Die zweite Wegmarke hier nur kurz. Im Booklet von Harnoncourts Aufnahme mit dem COE des „Fidelio“ – erneut Beethoven – erschien ein Interview, das ich mit dem mit dem Dirigenten in Zürich gemacht habe. Es erregte große Beachtung und wurde mehrfach übersetzt, sogar ins Japanische. Man findet es auch auf meinem Blog.
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