Soeben hat Brigitte Fassbaender Wagners Rheingold in Erl mit großem Erfolg inszeniert. Die mittlerweile 82jährige braucht offenbar keine Pause danach, sondern stürzt sich in eine weitere und auch recht verschiedene Aufgabe: sie inszeniert Gioachino Rossinis Oper Die Italienerin in Algier bei den Bregenzer Festspielen. Es ist nicht die erste Arbeit von Frau Fassbaender im Opernstudio der Festspiele, das übrigens der Intendantin Elisabeth Sobotka sehr am Herzen liegt. Es soll die Keimzelle eines Bregenzer Ensembles sein, und das funktioniert bereits, denn ehemalige Teilnehmer des Opernstudios sind Jahr für Jahr in weiteren Produktionen zu erleben. Fester Bestandteil dieser Opernstudios ist ein von Brigitte Fassbaender geleiteter öffentlicher Meisterkurs, der die Bühnenproduktion vorbereitet. Denn die ehemals weltweit gefeierte Mezzosopranistin erarbeitet mit den jungen Sängerinnen und Sängern ihre Partien auch stimmlich. Hier kann das Publikum die jungen Sängerinnen und Sänger kennenlernen und einmal mehr erleben, was für eine Sisyphusarbeit es ist, auch nur annähernd perfekt zu singen. Und da hört man auch solche für Nicht-Sänger ziemlich kryptischen Aussagen wie „die Stimme einsaugen!“ oder „an die Zähne anklopfen“. Besonders die Gesangspartien bei Rossini, von dem die diesjährige Studio-Oper Die Italienern in Algier komponiert ist, sind sehr schwer, muss doch eine ausgeprägte Melodik vereint werden mit perlenden Koloraturen. Nahezu mühelos meistert das Maria Barakova, die die titelgebende Partie der Isabella singt – die Frau, die den sexgierigen Macho Mustafa (Alberto Comes) mit Klugheit überlistet. Maria ist erst 23 Jahre alt, hat in Novosibirsk studiert und ist nun in Moskau am Bolschoi-Theater verpflichtet, eine exzeptionelle Begabung mit einer üppig aufblühenden, farbenreichen Stimme und dennoch viel Beweglichkeit. Einen bezaubernden Eindruck hinterließ auch Florence Losseau, ebenfalls ein Mezzosopran, aber eine ganz andere Persönlichkeit und Klangfarbe. Für sie hat Brigitte Fassbaender und der Dirigent der Produktion, Jonathan Brandani, extra eine Arie aus einer anderen Oper eingefügt, ebenso für den Bass Hubert Kowalczyk, „um auch diese schönen Stimmen zur Geltung zu bringen“. Denn die große Dame ist spürbar von Empathie für ihre insgesamt sieben Schützlinge getragen, und sie ist bei aller Strenge im Fachlichen stets höflich und humorvoll. Und so wird auch erfahrungsgemäß ihre Inszenierung der quirligen Rossini-Oper werden, die am 16.August im Theater am Kornmarkt herauskommt. Auch bei der Schubertiade Schwarzenberg im August gibt Brigitte Fassbaender einen Meisterkurs, den man allen Gesangsbegeisterten wärmstens ans Herz legen kann.
Sehr zu empfehlen ist auch die vor einigen Monaten erschienene Autobiografie von Brigitte Fassbaender mit dem Titel Komm aus dem Staunen nicht heraus – ein Zitat aus dem Rosenkavalier, dessen Titelrolle, der Oktavian, zu den Paradepartien der Mezzosopranistin gehört. Fassbaender hat ihre Biografie selbst geschrieben, mit all dem Wortwitz und dem subtilen Humor, den wir alle an ihr lieben, aber auch mit Tiefgang, Aufrichtigkeit sich selbst gegenüber wie auch den Themen, die zur Welt der Klassik gehören: das sind etwa Macht und Machtmissbrauch oder die Schwierigkeiten, die ganz besonders den Sängerinnen die eigene Physis bereiten kann. Nach dem Ende ihrer aktiven Sängerinnenlaufbahn hat Brigitte Fassbaender nicht nur als Gesanglehrerin weitergearbeitet, sondern vor allem auch als Regisseurin und Intendantin. Und da findet man in ihrem Buch einen besonderen Einblick in die Regiearbeit, indem sie das Tagebuch einer Produktion eins zu eins veröffentlicht, Auch hier erlebt man ihre Unverstelltheit: ohne zu verletzen, schildert sie die Schwierigkeiten mit der Administration und den Kolleginnen und Kollegen, aber auch das Glück des Schaffensprozesses.
Ich darf sagen, dass ich Brigitte Fassbaender von den Anfängen meiner Opernbegeisterung an verbunden bin. Ich habe sie noch erlebt als Dritte Rheintochter in Wagners Ring, vermutlich 1968, dann war ich in der legendären Premiere des Rosenkavalier 1972 unter Carlos Kleiber, wo sie der Oktavian war. In meiner Salzburger Zeit erlebte ich sie als Dorabella in der wunderbaren Cosí fan tutte unter Günter Rennert und Karl Böhm, bei den Salzburger Mozartwochen immer wieder in Rollen von Mozarts Jugendopern unter Leopold Hager, und nicht zuletzt als reizende Kundin in der Musikabteilung der Buchhandlung Höllrigl, wo ich arbeitete, um mir mein Gesangsstudium zu finanzieren. Hier in Vorarlberg, als Musikrezensentin, konnte ich zweimal ein Interview mit Frau Fassbaender machen, jedes Mal ein wunderbares Erlebnis, ganz zu schweigen von ihren großartigen Liederabenden bei der Schubertiade, damals noch in Feldkirch.
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