Bei der Orchestermatinee der Festspiele hinterließ die Tondichtung „Kullervo“ von Jean Sibelius einen tiefen Eindruck
Schlussbeifall mit den drei Chorleitern
Es hört nicht auf mit den finnischen Überraschungen bei den diesjährigen Bregenzer Festspielen. Beim zweiten Orchesterkonzert der Wiener Symphoniker am Sonntagvormittag erlebte das Publikum im ausverkauften Festspielhaus ein Werk, das singulär dasteht, sowohl im Schaffen des Komponisten Jean Sibelius als in der gesamten klassischen Musik. Mit siebenundzwanzig Jahren schrieb Sibelius dieses Werk, das ihn zum Nationalhelden machte, das aber der stets Schwierige, der übrigens die letzten dreißig Jahre seines Lebens nichts mehr komponierte, bald wieder zurückzog. „Kullervo“ erzählt die Geschichte des gleichnamigen tragischen Helden, einem Waisenkind, das in die Sklaverei verkauft wurde. Er kann sich behaupten und findet seine Familie wieder. Mit einem Schlitten unterwegs, begegnet er einem schönen Mädchen und verführt es, ohne zu wissen, dass es seine verloren geglaubte Schwester ist. Als er das erkennt, nimmt sich Kullervo aus Scham das Leben. Parallelen zur Geschichte Finnlands, das Jahrhunderte in schwedischer und russischer Fremdherrschaft lebte, aber auch zum Ödipus-Mythos, dem Thema unserer heurigen Hausoper, sind unverkennbar. Keine leichte Kost also für diesen Sonntagmorgen, zumal dieses Werk mit einer derartigen musikalischen Wucht daherkommt, dass es einem den Atem raubt. Höchst eindrucksvoll trägt der YL Male Voice Choir, ergänzt von den Herren des Prager Philharmonischen Chors und dem Bregenzer Festspielchor, in deklamierenden Ton die Geschichte in finnischer Sprache vor. Der Part der Geschwister wurde gegeben von der Sopranistin Marjukka Tepponen und dem Bass Ville Rusanen, die sich voll in ihre Rollen einfühlten, auch bei den orchestralen Zwischenspielen, die oft klangmalerisch das „Waldweben“ schilderten oder die Glöckchen an Kullervos Schlitten – von den fünf Sätzen waren drei ohnehin rein instrumental. Und endlich seien dem Dirigenten Jukka-Pekka Saraste und den Wiener Symphonikern Rosen gestreut für die klangschöne Umsetzung der komplexen Partitur. Durch ihre sorgsame Musizierweise kam auch die einleitende Komposition „Drift“ von Sebastian Fagerlund zur Entfaltung.
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