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Beatrice Cenci – eine Wiederentdeckung der Bregenzer Festspiele

Oft werden musikalische Werke zu Recht vergessen, nicht aber Berthold Goldschmidts Oper Beatrice Cenci. Zwischen 1948 und 1950 für einen Wettbewerb komponiert und prämiert, wurde sie entgegen der Zusage in England nie auf die Bühne gebracht. Inzwischen gab es mehrere konzertante und szenische Aufführungen, aber vielleicht musste erst dieses Team um den Regisseur Johannes Erath und den Dirigenten Johannes Debus kommen, um diesem wirklich herausragenden Werk zu seinem Durchbruch zu verhelfen – es wäre zu wünschen!

Es ist eine wahre Geschichte, die sich in Rom zu Ende des 16.Jahrhunderts zugetragen hat. Die junge Beatrice wurde von ihrem abartig brutalen Vater geknechtet und missbraucht. Während Missbrauchsopfer nach Meinung der heutigen Psychologie lethargisch werden, erlebt Beatrice nach der Vergewaltigung einen regelrechten Energieschub, und sie beschließt zusammen mit ihrer Stiefmutter Lucrezia, den tyrannischen Vater zu ermorden. Vom Vatikan, der zu dieser Zeit im Rom offenbar Recht sprach, wurde die Barbarei des Grafen Cenci stets gegen Schweigegeld gedeckt, die Tat der Frauen erfuhr aber keine Gnade. Die uralte Frage nach der Rechtmäßigkeit des Tyrannenmordes tut sich da auf: ist es legitim, einen Menschen, der so viel Leid anrichtet, zu beseitigen, oder soll man ihn, gleichsam als Fügung Gottes, ertragen. Letzteres ist wohl die Meinung der katholischen Kirche, die im Falle Cenci ganz ordentlich profitiert hat – in monetärer Hinsicht. Die wunderbare Partitur von Berthold Goldschmidt steht bestimmt auf Seiten der Frauen, sie veredelt, ja vergeistigt ihre Gefühle, ihre Leiden und singt sie am Ende mit einem Requiem in die Ewigkeit hinüber – und ich glaube nicht, dass das zynisch gemeint ist. Die kurz nach dem zweiten Weltkrieg entstandene Oper ist nicht, wie damals Mainstream, atonal oder seriell, sondern bedient sich barocker Formen und Floskeln – der Triller gleich zu Beginn – und stattet die Gesangspartien mit wunderbarer Melodik aus – tief berührend Beatrices Gesang im Kerker. Die Wiener Symphoniker spielten diese Partitur mit aller Sorgfalt unter der Stabführung von Johannes Debus. Und Johannes Erath legt eine Regie vor, die meisterlich wie eine Partitur durchkomponiert ist. Im Mittelpunkt stand naturgemäß Beatrice – großartig dargestellt und gesungen von Gal James. Im Aussehen wie eine von Velásquez gemalte Infantin, klammerte sie sich nach dem Missbrauch an eine Puppe als Zeichen ihrer verlorenen Kindheit.  Im Kerker erscheint auch, das ist eine Besonderheit der Regie, die leibliche Mutter Beatrices, während ihre Stiefmutter (sehr präsent Dshamilja Kaiser) ja mit Beatrice den Mord an Cenci plant und mit Beatrice auf dem Schafott stirbt. Etwas blasser als die beiden Frauen wirkt der tyrannische Francesco Cenci, gesungen von Christoph Pohl – vermutlich durch die Partitur, die das mitfühlende Element eindeutig in den Mittelpunkt stellt. Als Vertreter des Vatikans erlebt man Kardinal Camillo, gegeben von Per Bach Nissen, der durchaus gütige Züge trägt. Im Verein mit der Regie hat Katrin Connan ein sinnreiches Bühnenbild geschaffen. Es wird schließlich zu einem Mahlwerk, in dem die beiden Frauen gleichsam zerrieben werden. Das prominente Publikum feierte die Produktion herzlich und lange.

(Bilder Bregenzer Festspiele, Karl Forster)

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