Philippe Jordan, aus Zürich stammend ist seit 2o14 Chefdirigent der Wiener Symphoniker. Zumindest aus Bregenzer Sicht hat nicht nur er das Orchester geprägt, sondern das Orchester auch ihn, sie sind miteinander um Klassen besser geworden. Jordans erste Wirksamkeiten bei den Bregenzer Festspielen waren eher durchschnittlich, doch hat Philipp Jordan sich in diesen Jahren zu einen ganz beachtlichen Dirigenten gemausert, der Vergleichen auf höchster Ebene standhält. Das kann man sagen aufgrund seiner Aufnahmen, die er mit den Symphonien Beethoven und Schuberts eingespielt hat, und er hat diese Einschätzung nun bestätigt mit dem Brahms-Zyklus, den er mit den Wiener Symphonikern am letzten Wochenende in Bregenz vorgelegt hat und der im September dann in Wien gespielt wird, ergänzt durch das Violinkonzert und das „deutsche Requiem“. Philippe Jordan dirigiert derzeit Wagners „Meistersinger“ in Bayreuth und wird ab der Saison 2020/21 Musikchef der Wiener Staatsoper. Wir wünschen ihm viel Glück auf diesem schwierigen Posten!
Nun zum Kosmos der vier Symphonien von Johannes Brahms. Fast sah es so aus, als würde Johannes Brahms nie eine Symphonie schreiben. Nach eigenen Worten fühlte er Beethovens Erbe übermächtig, nämlich „wie einen Riesen hinter sich her marschieren“. So vergingen von den ersten Skizzen bis zu Vollendung der Ersten Symphonie vierzehn Jahre. Dem Werk merkt man das Zaudern nicht an, es steht da wie aus einem Guss, und auch die bald folgenden Symphonien sind Meisterwerke und ruhen in sich. Der zyklischen Aufführung in Bregenz ist es zu danken, dass man auch Beziehungen zwischen den Symphonien aufspürt, ja, dass man alle vier Symphonien wie die vier Sätze einer einzigen riesigen Symphonie erlebt, nämlich die großen, markanten Symphonien Nr.1 und Nr.4 als die gewichtigen Ecksätze, die Symphonien Nr.2 und Nr.3 als beschwingtere Mittelsätze. Und es gibt eine spannende Entwicklung, bis hin zur gewaltigen Architektur der Passacaglia im Schlusssatz der Vierten. Natürlich zählen die Symphonien von Brahms zum Kernrepertoire der Wiener Symphoniker, und der Komponist hatte sicher den typischen Wiener Klang mit seinen seidigen Streichern und den besonderen Instrumenten wie dem Wiener Horn und der Wiener Oboe im Ohr. Aber es gehört noch einmal sehr, sehr viel Meisterschaft des Dirigenten und eines jeden Orchestermusikers dazu, diese Symphonien so vollendet darzubieten, wie es am letzten Sonntag und Montag in Bregenz geschehen ist und wie es dann in September für Wien programmiert ist. Fast ist es zu wenig, zu sagen, dass einfach alles stimmte, denn diese unglaubliche Ausgewogenheit in allen Facetten übertraf die Erwartungen. Die Genauigkeit und dennoch Weichheit im Zusammenspiel, die Wahl der Tempi, die unglaubliche Selbstverständlichkeit in den teils heiklen Übergängen, die große Ruhe, gepaart mit fast unbändiger Wucht, all das und noch viel mehr beglückte und entfachte jubelnde Begeisterung.
(Foto: Michelidis)
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