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Bregenzer Festspiele: Don Quichotte milde schmunzelnd

 

Die diesjährige Oper im Festspielhaus, Jules Massenets „Don Quichotte“ folgt dem langjährigen Konzept der Begrenzer Festspiele, an diesem Ort eine Rarität zu spielen. Die Entdeckung der 1910 uraufgeführten Werks hat sich gelohnt und zeigt Parallelen auf die Verdis „Rigoletto“ am See.

In diesem Festspielsommer beschäftigen wir uns mit der Befindlichkeit alternder Männer, so will es das Programm. Doch während der Hofnarr Rigoletto verhärtet und rachsüchtig ist, zeigt uns Don Quichotte in der Sichtweise Massenets seinen geradezu unglaublich milden und menschenfreundlichen Charakter. Da weicht Massenet auch gerne von der Romanvorlage Miguel de Cervantes‘ ab, vielleicht um seiner eigenen Altersmilde beziehungsweise Resignation Ausdruck zu verleihen. Das könnte die Vorlage zu einem ziemlich faden Abend sein, wäre da nicht die hellwache junge Regisseurin Mariame Clément mit einer schönen Portion subtilen Humors am Werk. Noch bevor die Wiener Symphoniker unter Daniel Cohen den ersten Einsatz haben, sieht das Publikum einen Reklamefilm von Gillette-Rasierklingen, der auf seine Weise die Frage nach der Männlichkeit stellt. Dann erheben sich irgendwo im Parkett Sancho Pansa und Don Quichotte, der erste mit einer wortreichen Tirade, der andere geruhsam in Ritterrüstung. Der Vorhang öffnet sich und gibt noch einmal den Blick auf die Zuschauerreihen des Festspielhauses plus geschlossenem Vorhang frei, bis sich endlich auch dieser öffnet und uns das Tableau eines spanischen Dorfes anno dazumal zeigt. Bühnenbildnerin Julia Hansen spielt nicht nur hier mit aufregenden Zeit- und Stilbrüchen. Sie wird später den berühmten Kampf gegen die Wundmühlen zu einem Kampf gegen die Klimaanlage eines modernen Badezimmers machen, wird Quichottes Heiratsantrag an Dulcinée in ein heutiges Büro verlegen, um dann den strebenden Quichotte an einen Baum wie aus einem alten Gemälde zu lehnen. Und Quichottes Kampf mit der Räuberbande, die in der Oper im Gegensatz zu Cervantes Roman den Ritter nicht zusammenschlägt, sondern messiasgleich verehrt? Dieser spielt in einem verlassenden U-Bahnschacht  und der Ritter wird zum Superman. Eine so vergnügliche wie nachdenklich stimmende Inszenierung ist da also gelungen, und auch, was aus dem Orchestergraben kommt, ist die reine Freude. Man erlebt eine vielschichtige Partitur, fabelhaft musiziert. Die Titelfigur, einst für den legendären Bass Fjodor Schaljapin geschrieben, wird überzeugend gegeben von Gábor Bretz, dessen Maske dem großen Vorbild nachempfunden ist. Sein alter Ego Sancho Pansa ist David Stout, sympathisch und im Gesang wunderbar präsent. Und Anna Goryachova ist eine stimmsichere, dabei so berührende wie charaktervolle Dulcinée. Alle weiteren Rollen sowie der Prager Kammerchor fügen sich in den fabelhaften Gesamteindruck.

 

www.bregenzerfestspiele.com

 

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