Das Gespräch fand am Telefon nach Holland am 8.Januar 2009 in deutscher Sprache statt
Frau Margiono, Sie haben mit Harnoncourt als erstes die Fiordiligi in Amsterdam gemacht, sicher haben Sie auch vorher Dido und Fledermaus erlebt oder sind sogar dabei gewesen?
Nein, nein, überhaupt nicht, ich habe nichts davon mitbekommen. Das ist ganz anders gegangen. Es war ungefähr 1987, da hat mich meine Agentur Alferink zu einem Vorsingen für Harnoncourt gebeten. Ich hatte allerdings überhaupt kein Interesse, ich dachte mir: das ist so ein Alte-Musik-Fritze, was soll ich da? Ich habe mich dann krank gemeldet, bin nicht zum Vorsingen. Und so ging das sogar noch ein zweites Mal, wenn ich mich recht entsinne.
Und war ich eines Tages auf einer Probe in der Oper, da kam Herr Alferink herein und sagte: “Charlotte, Du musst sofort mitkommen, Harnoncourt ist im Concertgebouw und erwartet Dich zum Vorsingen. Ich höre es, heute bist Du gut bei Stimme.“ Es gab also keine Ausrede mehr für mich und ich fuhr mit ihm ins Concertgebouw. Dort war auf dem Podium der Pianist, der mich begleiten sollte, und im Saal saßen nur drei Leute, und die im Raum verteilt: der Agent, Alice Harnoncourt und Nikolaus Harnoncourt, eine ganz seltsame Atmosphäre! Ich hatte nicht einmal etwas aus Harnoncourts Repertoire dabei, sang irgendetwas. Und als ich fertig gesungen hatte, kam aus dem Saal Nikolaus Harnoncourt zu mir ans Podium. Und Sie müssen wissen, das Podium im Concertgebouw ist besonders hoch, drum ging ich auf die Knie, um wenigstens irgendwie auf Augenhöhe mit ihm zu sein. Und da sagte er zu mir ganz einfach: „Sie m ü s s e n meine Fiordiligi sein!“
Ich habe mir das gleich nicht wirklich vorstellen können, doch habe ich mich mit meinem Mann beraten und überlegt, und schließlich zugesagt.
Und das würde dann zu einem ganz großen persönlichen Erfolg für Sie, den Zeitungskritiken zufolge!
Ja, es war wohl die Produktion, bei der die internationale Opernwelt auf mich aufmerksam wurde.
Erinnern Sie sich an die Inszenierung?
Es spielte auf einer Art Zauberinsel, in der Mitte war eine Insel und darum herum Wasser, diese Insel war wunderschön, mit Bäumen, Booten und so. Bei der Arie „Per pietà….“, der zweiten Arie der Fiordiligi, da ging ich in das Wasser hinein. Das war immer fürs Publikum sehr erstaunlich, denn nie zuvor und danach ging eine Person der Handlung in dieses Wasser….
… wie sollte man dieses Ins-Wasser-gehen deuten?
Das kann ich Ihnen gar nicht sagen, es war einfach das ganz Besondere. (Auf dem Bild ist CM ganz rechts, Anm. Foto J.Pieper)
Dann kam ja noch die CD Einspielung der Cosi..
…genau, mit ein wenig anderer Besetzung. Die Dorabella war auf der CD Delores Ziegler, in der Oper war es Iris Vermillion.
Diese CD-Aufnahme war gerade zu der Zeit, als der Sohn von Alice und Nikolaus Harnoncourt verunglückt ist. Wenn Sie in die CD schauen, sehen Sie das Datum der Aufnahme (Januar 91, Anm.) Es wurde kurz erwogen, ob die Einspielung deshalb aufgegeben werden sollte, doch dann haben sich die beiden Harnoncourts entschlossen, sie zu machen.
Sie sind so stark!
Ja sie sind unglaubliche Persönlichkeiten, Frau Alice und er. Es war nämlich auch so, dass während der Zeit, als ich viel mit Nikolaus Harnoncourt arbeitete, mein Mann an Krebs erkrankte – jetzt ist er wieder ganz gesund. Sie haben so intensiv Anteil genommen an seinem Befinden, immer, bei jedem Telefon, fragten sie gleich wie es ihm geht.
Wir sagen zueinander Sie, aber den Vornamen.
Und dann kam in Amsterdam mit NH der Figaro, wo Sie die Gräfin waren, da hat auch Flimm Regie geführt. Wie war eigentlich die Arbeit mit Flimm?
Das war sehr angenehm. Wir hatten genug Freiraum, uns in unsere Rolle hinein zu leben.
Die Zusammenarbeit mit NH?
NH ist ja ganz viel bei den Proben dagewesen, was sonst bei anderen Dirigenten kaum der Fall ist. Dadurch wurde alles mit Jürgen und ihm gemeinsam gearbeitet – ganz schön!
Auch hier gab es die CD Einspielung.
Ja, und da kam es zum einzigen Mal zwischen mir und Nikolaus zu einem Streit.Die Arie „Dove sono…“ wollte er extrem langsam, und ich hatte das Gefühl, es so nie und nimmer singen zu können, und habe bestanden auf einem schnelleren Tempo. Wir haben uns nicht einigen können, jeder beharrte auf seiner Position, und so gingen wir nach der Aufnahmesitzung auseinander. Ich war ärgerlich, doch mein Mann und ein paar andere Leute meinten, ich könne doch vielleicht etwas nachgeben. Am nächsten Morgen dachte ich schließlich auch so und konnte mir vorstellen, etwas nachzugeben. Und als ich in den Saal kam und ihm meine geänderte Meinung mitteilen wollte, da kam Nikolaus mir schon entgegen und meinte: „Also ich habe mir das überlegt, machen wir es etwas schneller, so wie Sie das wollen…“. Das Resultat war, dass wir uns genau in der Mitte getroffen haben, ein wenig langsamer als ich es wollte und ein wenig schneller als er es wollte.
Und dann haben Sie ja auch die Gräfin auf einem Gastspiel in Zürich gesungen?
Nein, nicht wirklich, nein….. (denkt nach). Das war geplant, dazu kam es aber nicht.
Ihr Name war in der Spielplanvorschau, drum habe ich gedacht….
In der Folge haben Sie Konzerte gesungen mit NH, Beethovens Neunte und später die Leonore im Fidelio konzertant.
Ja, und einmal ein Haydn Oper, die niemand kennt, konzertant, ich glaube mit dem Concentus:. L’isola dishabitata. Und da muss ich erzählen, da habe ich Nikolaus im Konzert zum Lachen gebracht! Da hatte ich eine Arie zu singen, wo ich in bestimmten Passagen ein altes Weib machen sollte. Und diese Passagen habe ich mit so einer krächzenden Stimme gesungen, richtig komödiantisch. Und dann kam eine Kadenz, und ich habe das Krächzen beibehalten. Ich habe mir das nicht überlegt, das kam einfach. Und er musste richtig lachen darüber…..
Was den Fidelio betrifft, so war diese Partei eigentlich zu früh für mich. Auf der Bühne hätte ich sie damals noch nicht gesungen, dann auf der Bühne braucht man dafür schon noch mehr Dramatik, mehr Kraft in der Stimme…
Und warum ich nicht mehr auf der Bühne mit ihm gesungen habe, hatte den folgenden Grund. Ich hatte über Jahre eine schreckliche Pollenallergie, wusste von vorneherein, dass ich im frühen Sommer nicht singen können würde. Es kamen immer wieder Anfragen von Frau Alice, aber ich musste alles absagen. Zum Beispiel wollten sie mich unbedingt für die Fledermaus in Wien mit Flimm für die Rosalinde. Sie haben damals sogar gemeint, sie wollten ein Cover einstudieren für den Fall dass ich krank würde, und ich solle es einfach doch probieren. Doch das wollte ich nicht, und so war ich nicht mit dabei. Wie das so ist, wenn man immer fragt und erhält eine Absage, dann fragt man irgendwann nicht mehr….
Aber ich sage immer, meine Gesangslehrerin ist meine musikalische Mutter, und Nikolaus ist mein musikalischer Vater. So habe ich es auch einmal bei einem Interview für eine Zeitung gesagt. Und wir hatten dann Vorstellung – es war glaube ich Figaro – und es kam Nikolaus vor der Aufführung in die Garderobe. Das tut er ja immer, und er gibt einem dann diese netten kleinen Zettelchen, auf denen steht, auf was man besonders achten soll. Ich finde das viel netter, als wenn die Kapellmeister durchgehen und einem sagen: „das war neulich nicht so gut, passen Sie da und da auf, ect….“, wie es ja meistens der Fall ist.
Also, er kam in meine Garderobe und sagte: „Also dann darf ich Sie meine Tochter nennen.“ Ich konnte garnichts drauf sagen, denn ich habe im Moment nicht kapiert, was er meint. Erst als er wieder weg war, ist mir eingefallen dass er wohl das Interview in der Zeitung gelesen haben muss.
Vielen Dank für das Gespräch!
0 Comments