Herausragend gelang dem Lied-Duo Ian Bostridge und Julius Drake ihr Rezital bei der Schubertiade Schwarzenberg am Montagnachmittag. Auf dem Programm standen Lieder von Franz Schubert nach Schiller und Goethe und in zweiten Teil Lieder von Hugo Wolf nach Mörike.
Zum ersten Mal hat Ian Bostridge ein Lied von Hugo Wolf durch Barbra Streisand gehört. Wie er erzählt hat, war dies Verschwiegene Liebe, und er meinte dann, sie hätte es mit zu viel Ehrfrucht vor der Klassik gesungen. Eine interessante Feststellung, denn offenbar findet der englische Tenor und promovierte Historiker, dass allzu viel Ehrfurcht der Klassik nicht guttut. In der Tat geht Ian Bostridge das klassische Lied auf eine sehr individuelle Weise an, was aber ganz und gar nicht heißen will, dass er es respektlos tut. Das Wort und damit auch die Atmosphäre des Liedes stehen im Mittelpunkt seiner Interpretationen, und gerade bei Hugo Wolf lässt er Szenerien an den Hörerinnen und Hörern vorbeiziehen, die man sich mannigfacher kaum vorstellen mag. Das herzige Bild, das sich beim Lied Der Knabe und das Immlein auftut, würzt er mit süffisanter Erotik, und solche gibt es noch ein paarmal, etwa bei Nimmersatte Liebe oder Begegnung. Sehnsucht, Selbstaufgabe, Verinnerlichung und ähnliches mehr erlebt man bei Der Genesende an die Hoffnung, der Verborgenheit oder den beiden Peregrina-Liedern. Mit den beiden Minidramen Der Feuerreiter und Abschied setzt er einen Schlusspunkt seines Programmes vom atemberaubender Gegensätzlichkeit und Ausdruckskraft. Julius Drake ist dem Tenor ein echter Partner am Klavier, der kraftvoll und selbstbewusst musiziert und offenbar mit dem Sänger das Programm aufs Genaueste studiert hat. Und kraftvoll und dabei wunderschön klingt die Stimme von Ian Bostridge, und sie spricht auch im zartesten Piano an. Die zahlreichen Fans dieser so wunderbar und unverwechselbar timbrierten Stimme konnten glücklich sein!
Sich und auch seine Zuhörerinnen und Zuhörern hat Ian Bostridge im ersten Teil des Programmes die Latte hoch gelegt, als er Vertonungen von Gedichten von Friedrich Schiller durch Schubert darbot. Textreich und gedankenreich sind diese Lieder. Bostridge sang sie klar, und Julius Drake am Flügel zauberte starke Stimmungen dazu. Zwei Lieder nach Goethe, die zu den Höhepunkten des Repertoires überhaupt zählen, und die, wie nachher bei Hugo Wolf, einen denkbar starken Gegensatz bildeten, beschlossen den ersten Teil. Es waren der himmelsstürmende Ganymed und der gespenstische Erlkönig.
Ein Liederabend von Ian Bostridge ist nichts für Schöngeister, die sich genüsslich zurücklehnen wolle. Vielmehr fordert er das Publikum gedanklich und emotional, und er setzt seine Hörerinnen und Hörer intensiven Energien aus. Ehrfurcht vor der Klassik? Mehr noch, höchste Wertschätzung und Befreiung von der Patina der Geschichte.
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