Als Gastspiel des Schauspielhauses Graz zeigten die Bregenzer Festspiele vorgestern und gestern, (also am 25. und am 26.Juli) im Theater am Kornmarkt das Stück „Böhm“ des Schriftstellers und Kinderpsychiaters Paulus Hochgatterer, atemberaubend auf die Bühne gebracht von Nikolaus Habjan mit seinem Puppenspiel und seiner Sprachvirtuosität.
Ob der Mann, nein, die lebensgroße Puppe im Rollstuhl, nun Karl Böhm ist oder der Hausmeister der Hauptschule eines Grazer Vorortes, der dem prominenten Dirigenten täuschend ähnlich sieht, darüber rätselt das Publikum lange. Zu sehr hat dieser Mann die Lebensumstände, die Ansichten und die Redeweise Böhms verinnerlicht, er ist zu seinem Doppelgänger geworden – das gleichnamige Lied Schuberts ist eine Art Leitmotiv im Stück. Überhaupt erklingt viel wunderbare Musik aus den Boxen, etwas zu laut, doch das ist wohl ein Kunstgriff, um sie noch eindringlicher zu machen. Wie überhaupt an Kunstgriffen im wahrsten Sinne des Wortes dieses Stück so reich ist. Man wird die ganzen ein dreiviertel Stunden nicht müde, über die hochvirtuose Puppenführung Habjans zu staunen, aber auch über seine sprachliche Virtuosität, mit der er der jeweiligen Figur seine Stimme leiht. Ob es der göttlich raunzige Böhm ist oder Habjan selbst als Krankenpfleger mit slawischem Akzent, oder die sächselnden Verwaltungsmenschen an der Semperoper in Dresden, all das spricht Habjan, köstlich charakterisiert, aber nie übertrieben, selbst. Eine besondere Figur ist die wissbegierige kleine Schwester des Pflegers, die den alten Mann mit der ganz anderen Welt eines jungen Mädchens konfrontiert und die, obwohl sie weder Schubert noch Mozart kennt, bald die berührenden Worte von Beethovens Leonore spricht. Kleinere Puppen stellen prominente Sänger oder Kollegen dar, und Habjan selbst mimt den Geiger Wolfgang Scheiderhan, damals Konzertmeister der Wiener Philharmoniker, mit dem Karl Böhm Gespräche über die Politik zwischen 1933 und 56 führt – beide profitierten ja von der Säuberungspolitik der Nazis. Diesem Zeitraum ist das Stück gewidmet, wobei Böhm erst 1981 gestorben ist, übrigens in Salzburg, ein paar Straßenzüge entfernt von unserer damaligen Wohnung. Und wenige Jahre zuvor habe ich ihn noch bei den Salzburger Festspielen erlebt, in einer mit Gundula Janowitz, Brigitte Fassbaender, Peter Schreier und, ich glaube, auch Dietrich Fischer-Dieskau großartig besetzten Cosí fan tutte.
Dem Dichter Paulus Hochgatterer ist mit Böhm ein Text von selten tiefer Empathie gelungen, und Nikolaus Habjan hat ihn mit erstaunlichen und zugleich tief berührenden Mitteln auf die Bühne gebracht. Dem Publikum im Theater am Kornmarkt hat man angemerkt, dass es nicht mit allen Anspielungen etwas anfangen konnte – die große Welt der Musik ist eben in diesem Landstrich nur sporadisch zuhause. Gleichwohl hat es am Ende frenetisch applaudiert.
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