Rhythmus – Klangpracht – Melodik, dieser Dreiklang war beim ersten Orchesterkonzert der Bregenzer Festspiele, jeweils speziell auf ein Werk bezogen, zu erleben. Böhmische Musik stand auf dem Programm, das die Wiener Symphoniker unter ihrem designierten Chef Andrés Orozco-Estrada fabelhaft darboten.
Erst im April hatte man Andrés Orozco-Estrada bei Dornbirn Klassik gehört, mit dem von ihm derzeit geleiteten hr-Sinfonieorchester und mit Gustav Mahlers gewichtiger Fünfter. Nun gab der Kolumbianer mit Vorarlberger Ehefrau sein Debut bei den Bregenzer Festspielen. Man wird ihn, als Chefdirigent der Wiener Symphoniker ab 2020/21, noch oft am Bodensee erleben, und das ist eine richtig gute Botschaft. Denn was er am Montagabend im Festspielhaus hören ließ, war einfach wundervoll. Begonnen hat die Darbietung mit einem Werk von Bohuslav Martinů. Der 1890 geborene Tscheche, der aber als Komponist vor allem in Paris geprägt wurde, stand ja schon zweimal prominent im Fokus der Bregenzer Festspiele, und zwar mit seinen Opern. Die griechische Passion wurde als Hausoper 1999 gezeigt, wenige Jahre später seine Julietta. Hier nun erklang das Doppelkonzert für zwei Streichorchester, Klavier und Pauke, uraufgeführt 1940, von Bohuslav Martinů, ein neobarockes Werk mit starker Motorik, dessen rhythmische Komplexität vom Orchester und Orozco-Estrada mit seiner so klaren wie kreativen Schlagtechnik hervorragend bewältigt wurde. Ein starker Gegensatz dazu war Antonín Dvoraks klangprächtiges „Te Deum“, bei dem im Mittelpunkt der Prager Philharmonische Chor stand, der seit 2010 bei den Bregenzer Festspielen die Chorpartien der Opern übernimmt. Er widmete diese Aufführung dem Gedenken an die Unabhängigkeit der Tschechoslowakei vor hundert Jahren. Er sang sehr kraftvoll, doch mit wenig Wärme. Diese brachten die beiden Solisten Mojca Bitenc und Dariusz Perczak ins Geschehen, besonders die Sopranistin, auch Micaëla auf der Seebühne, bestach mit ihrer blühenden Stimme. Die junge, ausstrahlungsstarke Slowenin war im Vorjahr schon in Bregenz zu erleben, als Gräfin in Mozarts Le nozze di Figaro. Höhepunkt und Abschluss dieses wirklich festspielwürdigen Programms bildete Dvořáks Symphonie Aus der neuen Welt. Es ist kaum vorstellbar, dieses so beliebte Werk einfühlsamer zu spielen. Ein berückend weicher Einstieg, seidige Klangfarben der Streicher, wunderschön ausgesungene Holzbläsersoli bis hin zur berühmten Melodie es Englischhorns im Largo, aber auch prächtige Steigerungen im Finale, all das machten diese Ausführung höchst beglückend. Ob es allerdings, bei so viel Emotion, noch nötig gewesen wäre, das Flötensolo in zweiten Thema des ersten Satzes derart zu verlangsamen, sei dahin gestellt. Doch das ist nur ein kleiner Einwand zu einem großartigen Konzertabend, den das volle Haus lange bejubelte.
(Foto Werner Kmentitsch)
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