Dirigierte in Bregenz ohne Stab: Elim Chan
In gewisser Weise schloss das Programm des ersten Orchesterkonzerts der Bregenzer Festspiele an die Hausoper „Oedipe“, denn die Musik ihres Schöpfers George Enescu, hauptsächlich in Frankreich entstanden, fußt auf den Werken von Debussy und Ravel, wenn auch auf denkbar eigenständige Art. Gerade das erste Stück im Programm, Debussys bekannter „Nachmittag eines Fauns“ zeigt diese musikalische Verwandtschaft, denn bei Anwesenheit eines großen Orchesters hört man wie in der Oper viele Soli, allen voran die einleitende und im weiteren gesamten Konzertverlauf sehr präsente Flöte. Aber nicht nur das französische Element legte den großen Bogen über dieses Konzert, sondern auch die starke Frauenpräsenz. Vor den Wiener Symphonikern, die vor nicht allzu langer Zeit nicht einmal in ihren Reihen Frauen duldeten, stand nun Elim Chan, eine zierliche, elegante Dirigentin aus Honkong, ausgebildet in den USA. Prominente Auftritte in Österreich liegen bereits hinter ihr, nun debütierte sie unter denkbar großer Publikumszustimmung in Bregenz. Im zweiten Werk des Abends bekam sie in Person der hochattraktiven Sängerin Rihab Chaleb weibliche Verstärkung. Chaleb sang den Liederzyklus „Shéhérazade“ von Maurice Ravel. Wenngleich die tunesisch-kanadische Mezzosopranistin mit einer mitreißenden Bühnenpräsenz zu punkten wusste, waren stimmliche Probleme nicht zu überhören, die sich bei ihrer Zugabe, „Bizets „Habanera“ aus Carmen mit Intonationsproblemen äußerten. Doch es war noch keineswegs genug der Frauenpower. Nach der Pause wurde das Publikum einmal mehr bekannt gemacht mit der französischen Komponistin Mélanie Bonis, die ihrerseits einen Zyklus über „Legendäre Frauen“ schrieb, zuerst für Klavier, dann drei davon auch für Orchester. Die fantasievolle, wenngleich vollmundige Partitur überzeugte. Poetisch, mit Harfenklängen „Ophélie“, tänzerisch „Salomé“ und in ausführlichem Erzählton „Le songe de Cléopatre“ – „Cleopatras Traum“. Die Parteinahme für die komponierende Frau in Ehren, doch der eindeutige Höhepunkt des Abends war Debussys Tondichtung „La Mer“ – „Das Meer“. Hier zeigte sich der Vorteil der akkuraten Zeichengebung Elim Chans, die das große Orchester von klaren Klangwelten zu gewaltigen Steigerungen führen konnte. Auch das nächste Orchesterkonzert der Festspiele mit nordischer Musik am 27.Juli um 11 Uhr verspicht etwas ganz Besonderes zu werden.
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