Meiner Beobachtung nach gibt s in der letzten Zeit vermehrt Bestrebungen, von Bedřich Smetanas Tondichtung „Má vlast“ nicht nur den zweiten Satz „Die Moldau“ zu spielen, sondern den gesamten Zyklus. Ich erinnere mich, dass Nikolaus Harnoncourt das gemacht hat, vor allem aber im letzten Sommer Kirill Petrenko mit den Berliner Philharmonikern auf einer Tournee, die ihn auch zu den Salzburger Festspielen geführt hat. Nun wagte sich das Symphonieorchester Vorarlberg mit seinem Chef Leo McFall an das große Werk, das zu Deutsch „Mein Vaterland“ heißt und vermochte zu beeindrucken, und zwar stark.
In mehrfacher Hinsicht ist Bedřich Smetanas Tondichtung „Má vlast“ – „Mein Vaterland“ bemerkenswert. Denn zur Zeit der Komposition zwischen 1874 und 1879 verlor Smetana sein Gehör, er schuf diese gewaltige Musik also gleichsam von innen her. Weiters ist „Má vlast“ durchaus als politisches Statement zu verstehen. Denn der bereits zu seinen Lebzeiten prominente Komponist machte sich stark für einen tschechischen Nationalstaat. Dennoch haben wir von Smetana heute ein eher idyllisches Bild. Denn Jeder, der auch nur annähernd mit klassischer Musik in Berührung ist, kennt den zweiten Satz dieses sechsteiligen Werks mit dem Titel „Die Moldau“. Es ist ja auch zauberhaft zu hören, wie die beiden Flöten (Anja Nowotny-Baldauf und Giovanni Fanti) das Sprudeln der einen Quelle des Flusses zeichnen und bald dann die Klarinetten (Anna Gagane und Clara Hofer) die zweite Quelle, wie dann das Hauptthema aufrauscht, wie eine Bauernhochzeit am Ufer sich klanglich manifestiert und wie der Fluss schließlich Prag und die Burg Višehrad erreicht. Und auch wenn der erste Satz des Werks mit einem ausgedehnten Solo der beiden Harfen (Viktor Hartobanu und Siard Walter) beginnt, so kommt doch vieles im gesamten „Má vlast“ sehr kraftvoll daher. Und oft auch dramatisch, wie die Schilderung der tschechischen Amazone Šárka oder der Hussitenkriege im Satz „Tábor“. Ein großer Bilderbogen wird hier mit geradezu filmischer Breitwandmonumentalität aufgeschlagen, und es ist eine enorme Leistung des Symphonieorchesters Vorarlberg, dies nicht nur bewältigt zu haben, sondern wirklich plastische Klanggemälde erschaffen zu haben. Jede Musikerin und jeder Musiker, seien es die Soli oder die Tutti, haben hier ein Höchstmaß an physischer und mentaler Konzentration aufgebracht, und das bei einer eher knapp bemessenen Probezeit. Chefdirigent Leo McFall führt das Orchester mit klaren Bewegungen durch sogfältig ausgehorchte Phrasen, formt Spannungsbögen wie auch deren Entspannung, sodass die fast eineinhalb Stunden dauernde ununterbrochene Darbietung auch für das Publikum nicht ermüdend wurde. Am Samstagabend im Montforthaus Feldkirch spendete dieses Standing Ovations. Noch einmal gespielt wurde „Má vlast“ am Sonntag um 17h in Bregenz.
(Foto Veranstalter)
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