Wenn ich Christiane Karg in Aufnahmen um Radio oder auf CD höre, so bin ich begeistert von ihrer Stimmkultur. Wenn ich sie live höre, vor allem bei der Schubertiade Schwarzenberg, tue ich mir, bei aller Hochachtung vor ihrem Können, ein wenig schwer. So ging es mir erneut am Mittwochabend in Schwarzenberg, als sie ein offenbar von ihr selbst zusammengestelltes Programm mit Frauenliedern von Schubert und Schumann sang. „Geliebet und gelebt“ hat sie es betitelt. Viel zu wenig erwähne ich im Folgenden Gerold Huber am Klavier, der diesen Abend so sicher wie bescheiden trug. Ich gestehe, ich habe wegen ihm dieses Konzert gebucht.
Nach dem eröffnenden Lied, Schuberts „Des Mädchens Klage“ nach Schiller, richtete Christiane Karg das Wort an ihr Publikum (auf Deutsch und Englisch!). Frauenlieder seien heute am Programm, beginnend mit Schubert nach Schiller und auch endend damit: „Ein großer Bogen“. Robert Schumanns Ballade „Die Löwenbraut“ (ein schaurig bizarrer Text nach Adelbert von Chamisso) sei eine erzwungene Heirat, so meinte die Sängerin, wohingegen der Zyklus „Frauenliebe und – leben“ von einer „emanzipierten Frau“ erzähle. Da stolpere ich schon, denn man findet hier Textzeilen wie „ich will ihm dienen, ihm leben“ oder „lass mich verneigen dem Herren mein“. Ganz abgesehen davon, dass ein Frauenleben offenbar darin besteht, von einem großartigen Mann erwählt zu werden („mich Arme erhöht und beglückt“), ihn zu heiraten, ein Kind zu bekommen und sich schließlich bei seinem Tod zurückzuziehen („gelebet hab ich und geliebt, ich bin nicht lebend mehr“). Kann man also möglicherweise in unserer Zeit diesen Zyklus, der musikalisch wunderbar ist, nicht zuletzt durch seinen Klavierpart, nicht mehr singen? Ja doch, man, oder besser „frau“ kann sehr wohl, aber das dann mit einer etwas distanzierten Haltung oder einer gewissen Ironie – Julia Kleiter oder schon damals Irmgard Seefried machen beziehungsweise machten das fantastisch. Genau diesen Schritt geht Christiane Karg nicht. Sie gestaltet zwar sehr differenziert, aber sie bringt damit nur den Ausdruck des musikalischen Moments zum Tragen, nicht aber den Subtext. Ebensolches erlebt man bei Schuberts Gretchen-Liedern au Goethes „Faust“. Christiane Karg stellt eine freundlich liebende und dann schon auch verzweifelte junge Frau dar. Aber dass Gretchen eine wichtige Figur in einem der größten Menschheitsdramen ist, spürt man nicht.
Noch ein Wort zum stimmlichen Aspekt: wie schon geschrieben, differenziert Christian Karg sehr genau, aber doch auch konventionell. Vor allem im Teil vor der Pause, bei Schumanns „Löwenbraut“ und seiner „Frauenliebe“ vermisst man doch die großen Ausbrüche, wie überhaupt die Stimme der Sopranistin in den zarten Valeurs bleibt. Das kann man sehr schön finden, mir wäre allerdings vor allem bei Schumann etwas mehr Klangfülle lieber. Im zweiten Teil blüht die Stimme von Frau Karg doch etwas auf und zeigt bei Schuberts „Minona“ dann sehr schöne Farben, allerdings mit diskussionswürdigem Klang in einer exponiert hohen Phrase. Mit Schuberts „Ave Maria“ als Zugabe eroberte Christiane Karg dann doch ihr Publikum, auch Skeptikerinnen wie mich.
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