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Theater Sankt Gallen eröffnet mit Transgender-Oper

Lili Elbe und ihre Frau Gerda waren beide Kunstmaler

Nach drei Jahren Umbau wurde die Neueröffnung des Theaters Sank Gallen lang erwartet. Spektakulär die Uraufführung der Oper „Lili Elbe“.

Auf den ersten Blick erkennt man kaum Veränderungen. Der 1968 eröffnete Bau von Claude Paillard, ein Denkmal der Nachkriegsarchitektur, ist Großteils erhalten geblieben. Die Veränderungen betreffen vor allem den Backstagebereich. So gibt es beispielsweise jetzt einen neuen Chorsaal und eine Verbessrung der Raumhöhe im Ballettsaal, sodass jetzt auf der ganzen Fläche Sprünge und Hebefiguren möglich sind. Und da in den 1960er Jahren niemand dachte, dass auch irgendwann Frauen in der Bühnentechnik arbeiten könnten könnte, erhielten diese nun endlich Damentoiletten und –garderoben. Womit das Thema berührt ist, das im Zentrum der Oper steht, die zur Eröffnung uraufgeführt wurde. Nämlich die Identität als Frau oder als Mann oder auch als etwas dazwischen. Lili Elbe, von der Ayreh Lev Stollmann als Librettist und Tobias Picker als Komponist erzählen, hat wirklich gelebt. Geboren 1882 als Einar Wegener, war sie der erste Mensch, der sich mittels Operationen vom Mann zur Frau verwandelt hat. An solch einer Operation ist sie dann auch gestorben. Man könnte meinen, das Thema der Transition betrifft die allerwenigsten Menschen. Jedoch gibt es sehr viele, die mit ihrem Körper nicht zufrieden sind, weil er zu dick, zu dünn oder zu alt ist, eine Behinderung vorliegt oder weil die Hautfarbe stört. Alle diese werden sich, wenigstens ein Stück weit, mit Lili Elbe identifizieren können. Auch die Darstellerin dieser Partie in Ankt Gallen ist eine Transfrau. Lucia Lucas singt in Baritonlage, übriges wunderbar, und sie hat an großen Opernhäusern schon in ihrer nunmehrigen weiblichen Gestalt den Don Giovanni, den Torero Escamillo in Bizets „Carmen“ oder den Wotan in Wagners „Ring“ verkörpert. So ist diese Oper, an der Lucia Lucas dramaturgisch mitgearbeitet hat, ein Stück weit auch ihre eigene Geschichte. Es ist ein Werk mit großer Geste geworden, mit zweieinhalb Stunden Spieldauer und einer Musiksprache, die am ehesten an Puccini angelehnt ist, übrigens weitgehend tonal und mit gelegentlichen Anklängen an die 1920er Jahre, in der die Handlung spielt. Es gibt viele Chorszenen, die die Reaktionen der Öffentlichkeit auf Lilis Werdegang spiegeln und viele, oft akrobatische, oft richtig mystische Szenen mit dem Ballett. Dieses bezieht sich auf die Körperlichkeit, die hier so zentral und tiefgreifend erörtert wird. Auf diese und viele weitere Arten hat Regisseur Krystian Lada eine faszinierende Inszenierung geschaffen, die diese besondere Geschichte begreifbar werden lässt. Allerdings wäre eine straffere Erzählweise denkbar gewesen, und so manches, vor allem die Videos in zweiten Teil, wirken überinszeniert. Reine Freude breiten sie Sängerinnen und Sänger. Neben Lucia Lucas ist es vor allem die Sopranistin Sylvia D’Eramo, die als Ehefrau Gerda Wegener Einar beziehungsweise Lili treu zur Seite steht. Die vielen weiteren, teils mehrfach besetzten Rollen seien pauschal bedankt. Der Sankt Galler Musikchef Modestas Pitrenas hat das Sinfonieorchester Sankt Gallen sowie das Bühnengeschehen in sicheren Händen und hat eine große Vielfalt an Dynamik und Klangfarben erarbeitet. Das Publikum reagierte begeistert, teils mit Standing Ovations. Es scheint, dass mit diesem Stück der Nerv der Zeit getroffen wurde, gibt es doch derzeit am Salzburger Landestheater ebenfalls ein Stück über Lili Elbe, dort als Ballett.

Foto: Edyta Dufaj

 

 

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