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Hélène Grimaud bei den Bregenzer Meisterkonzerten

 

Die große Ausnahmepianistin Hélène Grimaud gastierte am Pfingstsamstag im Bregenzer Festspielhaus. Ein durchgeistigter und begeisternder Abend.

 

Spätestens seit dem Ukrainekrieg wissen wir, dass auch Klassik-Interpreten nicht in einem elfenbeinernen Turm leben. Immer mehr von ihnen engagieren sich gesellschaftspolitisch. Eine große Vorreiterin dieser Bewegung ist Hélène Grimaud, die sich seit über zwanzig Jahren für den Schutz der Wölfe stark macht, weiters als Menschenrechtlerin auftritt und wunderbare Bücher schreibt. Das tut ihrem großartigen Klavierspiel keinen Abbruch, ganz im Gegenteil. Es war Johannes Brahms, der einmal gesagt hat, dass man, um gut Klavier zu spielen, viele Bücher lesen sollte, das heißt, seine Vorstellungskraft schulen sollte. Und Brahms ist es, in dem Hélène Grimaud einen Seelenverwandten gefunden hat. Seine Intermezzi Opus 117 und seine Fantasien Opus 116 bildeten das Herzstück des Konzerts in Bregenz. Die Französin findet auf dem Steinway-Flügel einen klaren Ton, rein Garnichts ist dick oder verwaschen, nicht zuletzt dank ihrer stupenden Spieltechnik. Vielmehr erlebte das Publikum ein Kaleidoskop an musikalischen Stimmungen, das vom Anfang des Konzerts bis zu seinem Ende – mit zwei Zugaben – in den Bann zieht. Gerahmt wurde Brahms von zwei Werken, die man wohl als heilig betrachten kann. Beethovens späte Sonate Opus 109 in E-Dur spielte Grimaud in den ersten Sätzen drängend, um dann in die Ruhe des Andante einzutauchen, wo die Zeit stillzustehen schien. Eine weitere Ikone der Musik erklang am Ende des Programms, und zwar ohne Unterbrechung nach Brahms. Es war die rätselhafte Chaconne aus Johann Sebastian Bachs Partita in d-Moll. Sie ist original für Violine solo und erfuhr eine weitgehende Bearbeitung für Klavier von Ferruccio Busoni. Diese interpretierte Hélène Grimaud meisterhaft sowohl in der intimen Zartheit des zugrundeliegenden Cantus als auch in den aufrauschenden Passagen, mit denen Busoni das Werk in seine Epoche der Spätromantik transferiert hat. Die denkbar schlicht auftretende Pianistin nahm den überströmend herzlichen Beifall des Publikums dankbar entgegen.

Ihr Buch “Das Lied der Natur” lese ich gerade. Eine Besprechung folgt (Bertelsmann 2014)

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