Es war ein weiterer „Einblick“ in eine Uraufführung des Opernateliers, geplant für 2024, den die Bregenzer Festspiele am Donnerstagabend gewährten.
Das Publikum, das auf der Hauptbühne des Bregenzer Festspielhauses saß, bekam zu Beginn des Abends einen weitgehenden „Einblick“ in die geplante Oper. Aus Lausprechern erscholl sphärische Musik der irischen Komponistin Ena Brennan, durchsetzt mit knappen Sätzen aus der Feder des Regisseurs und Librettisten Sir David Pountney, aber vor allem lief langsam und stetig das neunzig Meter lange Gemälde von Hugo Canoilas ab, das wie auf die beiden Rollen einer Thora gewickelt war, oder – denn wir sind ja auf einer Bühne, wie der Prospekt beim japanischen Kabuki-Theater.
„I need my safe space“ und „Stop this nightmare“, war zu hören. Und die Musik bot isolierte, Großteils als schön zu bezeichnende Klänge. Wir wissen nicht, wie das komplette Werk, das in Sommer 2024 uraufgeführt werden wird, sich gestaltet, doch was man hier erlebt hat, lässt auf eine sehr zeitgeistige Sache schließen. In dem Sinne nämlich, dass es einen Rückzug ins Ich ahnen lässt, wo man es sich wohlig einrichtet und wo man nichts zu tun haben will mit dem, was draußen geschieht.
Hugo Canoilas hingegen, der an dem Projekt beteiligte Künstler, setzt sich auf sehr subtile Weise auseinander mit der Natur, und hier besonders mit dem Meer respektive der Tiefsee, was druchaus mit einem Aufruf zum achtsamen Umgang damit verstanden werden soll. So schafft er etwa Objekte aus Glas, die Muscheln oder Quallen ähneln und bringt diese an den Strand, um sie im Sand zu fotografieren.
Oder er bringt die Menschen, die seine Kunst betrachten, in Bewegung, indem er Malereien am Plafond anbringt oder am Fußboden, oder indem sie ein Werk abgehen müssen, wie ebenden neunzig Meter langen Oktopus. Er stellt damit unsere Art der Betrachtung bzw. Information in Frage, die oft nur noch darin besteht, einen Blick auf das Smartphone zu werfen.
Und hier sei eine Kritik an Teilen des Publikums angebracht, die hemmungslos ihre Handys zückten und Photos machten. Extrem störend! Die Organisatoren müssten da einschreiten.
Nun zu diesem Bild von Canoilas selbst, das auf neunzig Metern Länge einen Oktopus zeigt, beziehungsweise Details desselben. Es hat die Farben einer Sepiazeichnung, und die Sepiaflüssigkeit wird bekanntlich vom Tintenfisch produziert. Der Künstler widmet sich vorwiegend Details der Hautoberfläche dieses Meerestieres, den Höhlungen, den Saugnäpfen und einigem mehr. Das Publikum am Donnertagabend, nun mittels Drehbühne um 180 Grad gedreht, erhielt in einem Vortrag des Künstlers und mittels Projektionen einen weitgehenden „Einblick“ in das Schaffen und die Philosophie Hugo Canoilas. Denn, wie die meiste große Kunst, hat auch sein Werk viel zu tun mit Weltanschauung beziehungsweise Philosophie. So interessiert ihn wie schon angedeutet, die Faktoren Zeit und Raum. Denn während man sich in einem Museum durch die Ausstellungsräume bewegen muss, bleiben im Theater die Zuseher an einem Platz sitzen und die Bilder werden vor ihren Augen bewegt. Bleibt zu sagen, dass die Metapher des Oktopusses, der uns sicher noch weitere Erkenntnisse bescheren wird, die Idee David Pountneys war und somit Hugo Canoilas darauf reagiert hat. Zuerst hat er sich mit verschiedensten Gemälden „dieser Kreatur angenähert“, in teils wunderschön farbigen Bildern, die man zu sehen bekam. Schließlich wurde dieses neunzig Meter lange Objekt daraus, das übrigens schon in einem Museum im portugiesischen Coimbra gezeigt wurde.
Bis 2024 ist noch Zeit. Wir werden sehen und hören, was die drei Künstlerinnen und Künstler noch entwickeln.
Foto Anja Koehler
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