Russisches mit Blick über den Tellerrand
Drei der vier Orchesterkonzerte der Bregenzer Festspiele haben ein überwiegend russisches Programm, was mit Bezügen zu Hausoper „Sibirien“ zu erklären ist, aber aufgrund der politischen Situation auch auf Kritik stößt. Doch viele russische Komponisten haben selbst unter gesellschaftlichen und politischen Repressalien gelitten, wie eben Tschaikowski oder Schostakowitsch.
Pjotr Iljitsch Tschaikowskis Ouvertüre „Romeo und Julia“ stand am Beginn des Orchesterkonzerts, das die Wiener Symphoniker am Montagabend im Festspielhaus gaben: Tschaikowski musste als Homosexueller mehrfach gesellschaftlichem Druck standhalten, was ihm vermutlich auch das Leben kostete. Und wie sehr Dmitri Schostakowitsch unter dem Stalin Regime litt, ist bekannt. Schostakowitschs Erstes Cellokonzert, komponiert 1959, stand an diesem Abend im Mittelpunkt des Interesses, denn als Solist erlebte man erstmals bei den Bregenzer Festspielen den aus Vorarlberg gebürtigen, persisch stämmigen Kian Soltani. Der Dreißigjährige ist international auf den besten Podien zuhause, noch diese Woche etwa hört man ihn bei den BBC Proms in London. Das Konzert von Schostakowitsch interpretiert er meisterhaft, steht turmhoch über dessen enormen spieltechnischen Anforderungen. Er trifft den motorischen Charakter des ersten Satzes ebenso wie er die wunderbare Melodik des zweiten erfüllen kann. Welch delikate Farben er da seinem Stradivari Cello zu entlocken weiß, erstaunt und beglückt. Kian vermag auch mit der ausgedehnten Kadenz die Aufmerksamkeit zu bündeln, ehe das Werk in eine scheinbar fröhlichen Finalsatz mündet. Kian Soltanis kongeniale Musizierpartner sind die wunderbaren Musiker der Wiener Symphoniker unter der Stabführung von Marie Jacquot. Dass Frauen am Dirigentenpult in Bregenz mittlerweile selbstverständlich sind, darf einmal deutlich gesagt werden. Schon bei Tschaikowskis Ouvertüre zeigten sich die Qualitäten der Französin. Unspektakulär und mit großer Ruhe führte sie das Orchester und erzeugte Spannung mit gut ausdifferenzierten Tempi. Diese Vorzüge taten auch der Tondichtung „Scheherazade“ von Nikolai Rimski-Korsakow wohl. Mit großer Klarheit erlebte man die verschiedenen Instrumentengruppen und Soli, und die Wiener Symphoniker spielten wunderschön. Man denke an die seidigen Streichklänge, das machtvolle Blech, die zauberhafte Harfe oder Flöte und nicht zuletzt die Violinsoli des Konzertmeisters Anton Sokolow. Großer Jubel des ausverkauften Hauses.
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