Seit zwanzig Jahren besteht die Marionettenoper Lindau, und seit fünfzehn Jahren gibt es das Vorarlberger Barockorchesters Concerto Stella Matutina Das war der Grund für diese Co- Produktion, die beglückender nicht hätte sein können. Und das trotz der Corona-Bedingungen, die die wenigen Kilometer ins bayerische Lindau fast unüberwindlich werden ließen, und die bedauerlicherweise die Aufführungen dieser Produktion, die in wenigen Tagen in Aschaffenburg geplant waren, unmöglich machen. Welch ein Glück also, dass man gerade noch vor der neuerlichen Stornierung der Kulturveranstaltungen in Österreich diese „Entführung aus dem Serail“ zeigen konnte. An vier Abenden in Folge – um den Anstandsregeln in den Sälen Genüge zu tun, war sie in Lindau und Götzis zu erleben. Ein Kraftakt für alle Beteiligten, der hoch wertzuschätzen ist, wenn man zudem weiß, wie schwer diese Oper sowohl für das Orchester als für die Sänger auszuführen ist. Und begeistert fügt man hinzu, dass es, unter der Gesamtleitung von Thomas Platzgummer, eine Ensembleleistung war, die besser nicht vorstellbar ist, ja, vieles übertrifft, was auf großen Bühnen wie aktuell der Wiener Staatsoper zu erleben ist. Es tut halt den Partituren Mozarts einfach nur gut, wenn sie in schlanker Instrumentalbesetzung musiziert werden. Da stimmt die Balance, der Ausdruck und die Klangfarben, wie hier vor allem die stets von neuem überraschenden der Instrumente aus der Janitscharenmusik. Denn ja, es geht in Mozarts „Entführung“ um den Zusammenprall der islamischen mit der westlichen Welt, was heute wieder von trauriger Aktualität ist, und die humanistische Entscheidung des Bassa Selim am Ende der Oper wäre des Nachdenkens wert. Diese Sprechrolle füllte Hubert Dragaschnig würdig aus, so wie das ganze Ensemble stimmig besetzt war. Da war Gloria Rehm als Konstanze mit ihrem wunderbar kultiviert geführten Sopran, und ebenso schön sang und gestaltete Tenor Daniel Johannsen den Belmonte.
Frisch und sympathisch präsentierte sich das Dienerpaar Theodora Raftis als Blonde und Michael Feyfar als Pedrillo. Der aus Vorarlberg stammende, derzeit an der Hamburger Staatsoper engagierte Martin Summer war als Osmin der eindrucksvoll grimmige Gegenpol des Ensembles. Wäre die musikalische Seite der Aufführung nicht schon Glückes genug gewesen, so gab es zauberhafte Momente durch die kleine, mittig platzierte Bühne, auf der die Marionetten von Bernhard Leismüller und seinem Team agierten. Normalerweise laufen die Aufführungen in Lindau ja mit einer Aufnahme ab, hier jedoch bewegten sich die Figuren zur Livemusik, zudem traten die Sänger zur rechten Zeit zu den Puppen. So ließ sich etwa Konstanze in ihrem Kummer von ihrem Alter Ego trösten. Für die pausenlose Darbietung wurden einige Arien gekürzt, was die Begeisterung des Publikums nicht schmälerte.
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